Red Rabbit: Roman
günstigen Effekt, dass er nicht mit albernen Postwurfsendungen belästigt wurde. Wer interessierte sich denn schon für Wahlkampfparolen?
»Morgen, Jack«, sagte Cathy, als sie in die Küche kam. Sie trug einen pinkfarbenen Morgenrock, der ziemlich schäbig aussah, was ihn verwunderte, da seine Frau normalerweise auf ihre Kleidung sehr viel Wert legte. Vielleicht hatte dieses Stück irgendeine sentimentale Bedeutung für sie.
»Hallo, Liebste.« Jack stand auf, drückte sie etwas kraftlos an sich und gab ihr einen Kuss. »Zeitung?«
»Nein, danke. Die spar ich mir lieber für den Zug auf.« Sie öffnete die Tür des Kühlschranks und holte irgendetwas daraus hervor. Jack sah nicht hin.
»Willst du Kaffee?«
»Heute ja, gern.« Wenn sie vormittags operieren musste, verzichtete Cathy auf ihren Kaffee, damit ihre Finger nur ja nicht zitterten – was nämlich nicht besonders gut war, wenn man versuchte, einem Patienten den Augapfel wieder einzusetzen. Aber für heute stand nur eines auf dem Programm: Sie würde sich mit Professor Byrd bekannt machen. Bernie Katz kannte ihn und bezeichnete ihn als Freund, was durchaus Gutes verhieß. Doch abgesehen davon brauchte sich Cathy überhaupt keine Sorgen um ihren Einstand zu machen, denn sie war allein schon aus fachlichen Gründen für jedes Krankenhaus eine Bereicherung. Natürlich war sie dennoch ein bisschen nervös, was sie aber nicht zugeben, geschweige denn zeigen würde. »Was hältst du von Speck und Eiern?«, fragte sie.
»Darf ich mir so viel Cholesterol überhaupt erlauben?« Jack war sichtlich überrascht.
»Einmal die Woche«, antwortete Mrs Dr. Ryan, ganz Fachfrau. Morgen würde sie ihm Hafergrütze servieren.
»Na dann, nur zu«, freute sich Jack.
»Du wirst dir im Büro ja sowieso noch den Bauch voll schlagen.«
»Wer? Ich?«
»Mit Croissants und guter Butter, gib’s zu. Dabei bestehen diese Dinger doch ohnehin schon zu neunzig Prozent aus Butter.«
»Brot ohne Butter ist wie ein Bad ohne Seife.«
»Wenn du schon mal einen Herzinfarkt gehabt hättest, würdest du anders reden.«
»Beim letzten Gesundheitscheck war mein Cholesterinspiegel auf …«
»152«, antwortete Cathy gähnend.
»Das ist doch ganz gut, oder?«
»Akzeptabel«, gab sie zu. Ihr Wert lag bei 146.
»Na bitte.« Ryan blätterte die Leitartikelseite der Times auf. Die Leserbriefe an die Redaktion waren im Großen und Ganzen sehr positiv, und in der Tat, die Zeitung hatte durchweg ein Niveau, an das kaum ein amerikanisches Blatt heranreichte. Nun, immerhin ist hier auf der Insel die englische Sprache erfunden worden, dachte Ryan. Den Presseschreibern gelangen Formulierungen, die so elegant waren wie Poesie – und mitunter viel zu subtil für seine amerikanische Art zu lesen. Auch daran würde er sich hoffentlich noch gewöhnen.
Es brutzelte in der Pfanne, und in der Küche verbreitete sich der herrliche Duft bratender Speckstreifen. Der Kaffee – mit Milch statt Sahne – schmeckte nicht schlecht, und die Nachrichten waren immerhin nicht so schlecht, dass sie einem den Appetit verdarben. Abgesehen davon, dass er viel zu früh das Bett hatte verlassen müssen, konnte Jack rundum zufrieden sein.
»Cathy?«
»Ja, was ist?«
»Hab ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?«
Sie warf einen theatralischen Blick auf die Uhr. »Du bist ein bisschen spät dran, aber es sei dir verziehen.«
»Was steht für dich heute auf dem Programm?«
»Oh, ich werde mir meinen neuen Arbeitsplatz anschauen und mich den Leuten vorstellen, die gerade Dienst haben. Auf das Pflegepersonal bin ich besonders gespannt.«
»Wieso?«
»In der Chirurgie ist kaum etwas so entscheidend wie ein gut eingespieltes Team von Krankenpflegern. Die von Hammersmith sollen sehr gut sein, wie man hört. Und Bernie meint, dass Professor Byrd die größte Kapazität ist, die es in unserem Fach hier auf der Insel gibt. Er hat Lehraufträge in Hammersmith und Moorefields. Er und Bernie kennen sich schon seit zwanzig Jahren, und er ist auch schon einige Male bei uns im Hopkins-Krankenhaus zu Besuch gewesen. Gesehen habe ich ihn da allerdings nie. Die Eier wie immer?«, fragte sie.
»Bitte.«
Eierschalen brachen entzwei. Cathy schwor auf gusseiserne Pfannen. Die waren zwar schwerer sauber zu halten, brachten aber viel bessere Bratergebnisse zustande. Jetzt war zu hören, wie der Hebel des Toasters heruntergedrückt wurde.
Die Sportseite – sie hieß hier einfach »Sport« – informierte Jack haarklein
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