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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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das gehörte sich so für die Stadt der Cäsaren, dachte Zaitzew. Er dachte an die Geschichts- und Reisebücher, die er über Rom und Umgebung gelesen hatte. Doch es war Zeit, zurück an die Arbeit zu gehen. Er kramte seine Chiffrierscheibe aus der obersten Schreibtischschublade, ein Ding, das wie eine Wählscheibe am Telefon aussah. Man brachte den zu tauschenden Buchstaben in den Zenit der Hintergrundscheibe und drehte dann die frei rotierende Scheibe davor bis zu demjenigen Buchstaben, der auf der Seite des Einmal-Blocks angegeben war. Im vorliegenden Fall war der Anfang der zwölften Zeile auf Seite 284 Ausgangspunkt für die verlangte Tauschprozedur. Dieser Bezug würde in der Kopfzeile der Übertragung markiert sein, damit der Empfänger aus dem zu übertragenden Buchstabensalat tatsächlich schlau werden konnte.
    Es war trotz Chiffrierscheibe immer noch mühselig genug. Zaitzew musste jeden Buchstaben des Klartextes in Anschlag bringen, dann den auf der vorliegenden Seite des Schlüsselblocks angegebenen Schlüsselbuchstaben anwählen und das jeweilige Resultat aufschreiben. Jeder einzelne Schritt dieses Vorgangs bedeutete: Bleistift
ablegen, wählen, Bleistift wieder aufnehmen, das Ergebnis kontrollieren  – in diesem Fall insgesamt zweimal – und wieder von vorn anfangen. (Die Kollegen, die nichts anderes taten als zu chiffrieren, konnten beidhändig arbeiten, doch das war Zaitzew unmöglich.) Was ihm da abverlangt wurde, war wirklich eine Zumutung, eines studierten Mathematikers nicht würdig. Er kam sich vor wie ein Hilfslehrer, der die Buchstabentests von I-Dötzchen korrigieren musste. Hätte er doch wenigstens eine Hilfe gehabt! Aber das kam nicht in Frage, die Vorschriften waren allzu streng.
    Als er endlich mit dem Text durch war, musste alles noch einmal geprüft werden, um Fehler auszuschließen, denn Fehler brachten die ganze Geschichte sowohl hier als auch am Empfängerort durcheinander. Im schlimmsten Fall konnte man allerdings dem Kollegen am Fernschreiber die Schuld zuschieben, was dann auch jeder tat. Es dauerte noch einmal viereinhalb Minuten, bis er ausschließen konnte, dass ihm ein Irrtum unterlaufen war. Prima.
    Zaitzew stand auf und ging in den Funkraum. Dort herrschte ein Lärm, der einen verrückt machen konnte. Die uralten Fernschreiber  – einer davon war tatsächlich in den dreißiger Jahren aus Deutschland gestohlen worden – ratterten wie Maschinengewehre. Vor jedem Gerät saß eine uniformierte Schreibkraft – es waren durch die Bank männliche Kollegen – mit kerzengeradem Rückgrat, die Hände scheinbar mit der Tastatur verschweißt. Sie alle trugen einen Lärmschutz auf den Ohren, der einer Einlieferung in die Psychiatrie vorbeugen sollte. Zaitzew legte seine Nachricht dem Aufsichtsbeamten vor, der ebenfalls die Ohren geschützt hatte. Wortlos nahm dieser den Zettel zur Hand und brachte ihn zu dem Kollegen, der in der hintersten Reihe ganz links saß. Dort klemmte der Aufsichtsbeamte den Zettel an ein über der Tastatur schwebendes Brett. Am oberen Rand des Formblattes stand das Zeichen für den Empfänger. Die Schreibkraft wählte die entsprechende Nummer und wartete, bis an ihrer Maschine eine gelbe Lampe aufleuchtete und am anderen Ende der Funkverbindung das trillernde Geräusch des Fernschreibers in ihrem Kopfhörer zu hören war. Dann gab sie den Buchstabensalat ein.
    Wie diese Kollegen eine solche Arbeit tun konnten, ohne durchzudrehen, blieb für Zaitzew ein Geheimnis. Der menschliche Verstand war auf Sinn und Ordnung erpicht, doch ein Wort wie
TKALNNETPTN zu tippen erforderte Fähigkeiten, die alles Menschentypische negierten und eigentlich nur von einem Roboter erbracht werden konnten. Es hieß, dass diese Kollegen allesamt vorzügliche Klavierspieler waren, was Zaitzew aber nicht glauben mochte. Selbst das dissonanteste Stück für Klavier hatte irgendeine nachvollziehbare Harmonie. Nicht so ein Text, der nach der Methode der Einzelverschlüsselung chiffriert worden war.
    Schon nach wenigen Sekunden blickte die Schreibkraft auf und sagte: »Übertragung abgeschlossen, Genosse.« Zaitzew nickte dem Mann zu und kehrte ans Pult des Aufsichtsbeamten zurück.
    »Geben Sie mir bitte Bescheid, sobald eine Antwort eintrifft.«
    »Ja, Genosse Major«, versprach der Aufsichtsbeamte und setzte eine weitere Nummer auf seine Dringlichkeitsliste.
    Zaitzew kehrte an seinen Schreibtisch zurück, auf dem sich mittlerweile noch mehr Arbeit angehäuft hatte, Arbeit, die

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