Red Rabbit: Roman
heute einen russischen Journalisten da, möglicherweise einen KGB-Spion, der mir auf den Zahn fühlen soll, ein gewisser Kuritsin.«
»Ich glaube, er ist vom Geheimdienst«, sagte General Dalton sofort.
»Das habe ich mir auch schon gedacht. Ich rechne damit, dass er mich durch den Times -Korrespondenten aushorchen lässt.«
»Kennen Sie ihn?«
»Anthony Prince.« Foley nickte. »Und das sagt schon so ziemlich alles über ihn. Groton und Yale. Ich bin ihm in New York ein paarmal über den Weg gelaufen, als ich bei der Zeitung war. Er ist sehr clever, aber nicht ganz so clever, wie er denkt.«
»Wie ist Ihr Russisch?«
»Ich gehe notfalls als Einheimischer durch – aber meine Frau könnte geradezu eine Dichterin sein. Sie spricht wirklich hervorragend Russisch. Ach, noch etwas. Meine Wohnungsnachbarn, die Haydocks, Nigel und Penelope … Sie sind doch auch Spione?«
»Allerdings«, bestätigte General Dalton. »Absolut zuverlässig.«
Diesen Eindruck hatte auch Foley gehabt, aber es konnte nie schaden, auf Nummer sicher zu gehen. Er stand auf. »Gut, dann werde ich mich mal an die Arbeit machen.«
»Willkommen an Bord, Ed«, sagte der Botschafter. »Sobald man sich daran gewöhnt hat, ist der Dienst hier gar nicht so übel. Wir kriegen über das russische Außenministerium Eintrittskarten zu sämtlichen Theater- und Ballettaufführungen.«
»Mir ist Eishockey lieber.«
»Das ist auch kein Problem«, sagte General Dalton.
»Gute Plätze?«, fragte der CIA-Mann.
»Erste Reihe.«
Foley grinste. »Klasse.«
Mary Pat ihrerseits war mit ihrem Sohn auf der Straße unterwegs. Dummerweise war Eddie schon zu groß für den Buggy. Mit einem Buggy konnte man nämlich eine Menge interessanter Dinge anstellen, und Mary Pat nahm an, von einem Kleinkind und einer Windeltüte würden die Russen die Finger lassen – besonders, wenn beide zu einem Diplomatenpass gehörten. Im Augenblick machte
sie nur einen Spaziergang, um sich an die Umgebung, die Sehenswürdigkeiten und die Gerüche zu gewöhnen. Das war die Höhle des Löwen, und sie hatte sich darin eingenistet wie ein Virus – ein tödlicher, hoffte sie. Sie war als Mary Kaminski geboren worden, Enkelin eines Dieners des Hauses Romanow. Großvater Wanja war eine der zentralen Persönlichkeiten ihrer Jugend gewesen. Von ihm hatte sie von klein auf Russisch gelernt, nicht das gewöhnliche Russisch, das heute gesprochen wurde, sondern das gewählte, literarische Russisch einer längst vergangenen Zeit. Die Lyrik Puschkins konnte sie zum Weinen bringen, und in dieser Hinsicht war sie mehr Russin als Amerikanerin, denn die Russen hatten ihre Dichter seit Jahrhunderten verehrt, während sie in Amerika hauptsächlich dazu abgestellt wurden, Popsongs zu schreiben. Es gab an diesem Land viel zu bewundern und viel zu lieben.
Aber nicht an seiner Regierung. Mary Pat war zwölf gewesen, fast schon ein Teenager, als Großvater Wanja ihr die Geschichte von Aleksei erzählt hatte, dem russischen Kronprinzen. Ein braver Junge, hatte ihr Großvater gesagt, aber nicht vom Glück begünstigt, da er an Hämophilie litt und daher ständig kränkelte. Oberst Wanja Borissowitsch Kaminski, von niederem Adel und Offizier der Berittenen Kaisergarde, hatte dem Jungen das Reiten beigebracht, denn das musste ein Prinz damals können. Der Oberst war bei der Ausbildung äußerst vorsichtig – damit der kleine Aleksei nicht hinfiel und sich blutig schlug, ging er oft an der Hand eines Matrosen der Kaiserlichen Flotte –, aber zur großen Freude Nikolaus’ II. und Zarin Alexandras wurden die Bemühungen schließlich von Erfolg gekrönt. Am Ende standen sich Lehrer und Schüler auch persönlich sehr nahe, nicht gerade wie Vater und Sohn, aber vielleicht wie Onkel und Neffe. Dann war Großvater Wanja an die Front gegangen und hatte gegen die Deutschen gekämpft, geriet aber schon sehr früh, nach der Schlacht von Tannenberg, in Kriegsgefangenschaft. In einem deutschen Kriegsgefangenenlager erfuhr er dann auch von der Revolution. Es gelang ihm, nach Russland zurückzukehren, wo er in der Weißen Armee an dem zum Scheitern verurteilten Kampf gegen die Revolution teilnahm. Dann erfuhr er, dass der Zar und seine ganze Familie von den Besetzern Jekaterinburgs ermordet worden waren. An diesem Punkt wurde Wanja klar, dass der Kampf verloren war, und es gelang ihm zu fliehen und nach Amerika zu
entkommen. Dort hatte er ein neues Leben begonnen, allerdings eines in untröstlicher Trauer um die
Weitere Kostenlose Bücher