Red Shark: Thriller (German Edition)
in ein Konferenzzimmer geführt, das zugleich auch ein Museum war. In Glaskästen waren Stücke aus dem Pazifikkrieg ausgestellt – Schwerter, Bajonette, Granaten, Arisaka-Repetiergewehre, Nambu-Pistolen und japanische Kriegsflaggen. Ein Ölgemälde mit einer Schlachtenszene bedeckte eine ganze Wand. Es zeigte eine glorifizierende Darstellung von entschlossenen japanischen Soldaten, die 1946 mit der Unterstützung von Zivilisten einen amphibischen Angriff auf die Strände an der Ebene von Tokio abwehrten, der allerdings in Wirklichkeit nie stattgefunden hatte. Das Werk trug den Titel Die Niederlage Amerikas.
Die anderen Vorstandsmitglieder nahmen Platz und saßen steif und wortlos um einen riesigen Konferenztisch, während eine Bedienung jedem von ihnen heißen Tee und süße, klebrige Reiskuchen servierte. Tokugawa stand an der Fensterwand und sah auf das hässliche Granitgebäude hinaus, das einst das Hauptquartier der Kaiserlichen japanischen Armee gewesen war. Tokugawa glaubte wie seine Kollegen fest daran, dass der Geist der Kaiserlichen Armee und ihres Anführers General Hideki Tojo noch immer darin wohnte. Für die meisten Japaner stand das Gebäude für die Bösartigkeit der Gräueltaten Japans im Zweiten Weltkrieg und war deshalb zutiefst verhasst.
Tokugawa drehte vor seinem geistigen Auge die Uhr zurück auf den Frühsommer 1945: Statt glänzender Toyotas und Hondas, die jetzt Tokios Straßen verstopften, sah er klapprige Rikschas, und am Himmel flogen nicht 747er, sondern Formationen von Botkin-29-Bombern, aus denen Tod und Vernichtung in einem ungeheuren Ausmaß herabregneten. Seine Erinnerung an die Gemetzel von Hiroschima und Nagasaki, die Japan damals noch bevorgestanden hatten, ließ Tokugawa schaudern.
Er betrachtete Tokios dunstverhangene, chaotische Skyline und sah eine Nation, die sich nun schon lange aus der Asche des Krieges erhoben und jetzt die Weltherrschaft zum Greifen nah vor sich hatte. Wie leicht wäre es, zu vergessen, dass der Krieg das Leben seines Vaters und von Tausenden von Männern wie er beendet hatte. Es war eine traurige Tatsache, dass für die Generationen von Japanern, die nach der Kapitulation geboren worden waren, in ihrem persönlichen Kosmos der Krieg im Pazifik ebenso unwichtig war wie die Ankunft von Commodore Matthew Perry und seiner Schwarzen Schiffe im Jahr 1853.
Für Tokugawa aber brannte die Erinnerung an den Krieg und vor allem an die Niederlage so hell und heiß, als wäre all das erst gestern geschehen.
»Die Vorstandsmitglieder haben mich gebeten, für sie zu sprechen«, sagte Hatoyama an Tokugawas Rücken gerichtet.
Tokugawa drehte sich zu den sechs Männern um.
Hoshino, fast neunzig, ein millionenschwerer Investor und Überlebender des Feldzugs in Neuguinea. Er hatte unter einem General gedient, der nach dem Krieg wegen der Gräueltaten seiner Truppen an australischen und amerikanischen Kriegsgefangenen hingerichtet worden war.
Satsuma, Ende siebzig, Vorstandsvorsitzender der Daiwa Properties, Ltd., einer Holding-Gesellschaft. Er war eine jener ganz großen Seltenheiten, ein Kamikaze-Pilot, der den Krieg überlebt hatte, aber nur deshalb, weil die Kapitulation gekommen war, bevor er sich für Kaiser Hirohito opfern konnte.
Yukawa, der sechzigjährige Playboy und Multimillionär, alleiniger Besitzer von Nippon Image, Inc., eines Pressehauses für Sensationsblätter. Er war der Sohn eines Kriegsverbrechers, der wegen des Massenmords an Filipino-Frauen und –Kindern in Manila hingerichtet worden war. Laut der Urteilsbegründung waren viele seiner Opfer bei lebendigem Leib verbrannt worden.
Fukuda, ein fünfzigjähriger Investment-Banker, Enkel eines Armeeoffiziers, der verurteilt worden war, weil er amerikanische Kriegsgefangene während der Zwangsarbeit an einer Eisenbahnstrecke durch die undurchdringlichen Dschungel Burmas getötet hatte.
Ischigari, ein fünfundsechzigjähriger Magnat, Besitzer der IKE- und J-Global-Werften. Er war der Neffe von General Homma, des berüchtigten »Tigers von Malaya«, der wegen Gräueltaten an zivilen und militärischen Gefangenen gehängt worden war.
Hatoyama, Enkel eines Armeeoffiziers, der wegen der rituellen Enthauptung von drei Doolittle-Piloten, die über japanisch besetztem Gebiet in der Provinz Kiangsi in China abgeschossen worden waren, gehängt worden war.
Hatoyama zupfte seine Manschetten herunter und sagte: »Wie Sie wissen, Iseda- san , bietet die Lage in Nordkorea potentiell sowohl Probleme als auch
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