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Reden macht Leute

Reden macht Leute

Titel: Reden macht Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Fey
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Sie Recht.“ Der Bauer ging zufrieden nach Hause. Wenig später kam der benachbarte Bauer und beschwerte sich ebenso: Sein Nachbar würde ihm verbieten, weiterhin über dessen Grundstück zu fahren, obwohl schon sein Großvater immer diesen Weg nehmen durfte. Daraufhin erwiderte der Dorfbürgermeister abermals: „Da haben Sie Recht.“ Als er wieder draußen war, fragte ihn sein Gemeindeschreiber, der die ganze Zeit dabeigesessen hatte: „Aber Herr Bürgermeister, Sie können doch nicht beiden Recht geben?“ „Da haben Sie wiederum auch Recht“, lautete dessen Antwort.
    Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Um Ihnen zu zeigen, dass Sie Ihre Meinung weiterhin vertreten können, auch wenn Ihnen die Aspekte der anderen einleuchten. Oder Sie finden sie sogar besser als die eigenen. Dann ist man oft zu schnell bereit, den eigenen Standpunkt aufzugeben.
    Um Ihnen hier Mut zum Vertreten des eigenen Standpunkts zu machen, erläutere ich Ihnen im Folgenden das Modell der Fey-Tasse.
    Die Fey-Tasse
    Stellen Sie sich vor, Sie (A) stehen vor der Kaffeetasse. Dann sehen Sie den Henkel rechts. Das ist eine wahre Aussage. Wenn eine andere Person (B) hinter der Tasse steht, dann sieht sie den Henkel links. Auch diese Aussage ist wahr. Wenn Sie sich jetzt mit B darüber streiten, wo der Henkel ist, kann es sein, dass sich C, die links von der Tasse steht, einmischt und sagt: „Also ich verstehe nicht, worüber Sie sich streiten, die Tasse hat doch gar keinen Henkel. Vielleicht kommt nun noch D, die von rechts auf die Tasse blickt, dazu und sagt: „Was streitet ihr denn, die Sache ist doch klar, der Henkel zeigt laut Kompass nach Osten.“ Wer hat nun Recht? Vielleicht sagen Sie jetzt spontan: „Ist doch klar, D hat Recht.“ So einfach ist die Angelegenheit jedoch nicht, denn es gibt hier offensichtlich mehrere Wahrheiten zur gleichen Zeit, je nach Ausgangspunkt. D vertritt auch nur einen Standpunkt , einen vermeintlich übergeordneten. Man ist nämlich bereit, den Kompass als objektives Messinstrument zu akzeptieren, obwohl ein Kompass auch defekt sein kann.

    So kann man als Ergebnis festhalten, dass hier niemand lügt und niemand „mehr“ Recht hat, sondern dass letztendlich das Wahre das Ganze ist (G. F. Hegel). Wir Menschen sind nie in der Lage, das Ganze zu erfassen, dazu ist die Wirklichkeit zu komplex.
    Deshalb ist es sinnvoll, Ansichten anderer Menschen ebenfalls als „wahr“ zu akzeptieren, ohne dass man sie übernehmen muss. Wenn ich dazu bereit bin, leben Sie das bereits erwähnte Motto: „Ich bin okay. Du bist okay.“ Trotz der Akzeptanz anderer Standpunkte kann ich nun versuchen, die anderen von meinem Standpunkt zu überzeugen. Dies ist jedoch oft ein schwieriges Unterfangen.
    Wenn ich (A) B, die den Henkel links sieht, von meinem Standpunkt überzeugen will, muss ich es schaffen, dass sich B zumindest geistig in Bewegung setzt, sich hinter mich stellt und sagt: „Jawohl, der Henkel ist rechts.“ Das Überzeugen ist ein Prozess, der sich in der Person, die ich überzeugen möchte, abspielt. Es ist kein bloßes Einwirken auf eine andere Person, die dies willenlos mit sich geschehen lässt, sondern dieser Mensch muss motiviert und aktiviert werden, in unserem Sinne zu denken und zu handeln.
    Deshalb vertreten Sie Ihren Standpunkt ernsthaft, jedoch mit der Gewissheit, die Wahrheit nicht gepachtet zu haben, sowie in dem Bewusstsein, dass die anderen auch nur ihren Standpunkt vertreten und nicht das Wahre an sich. Deshalb lohnt es sich nicht, über Standpunkte zu streiten, weil jede und jeder aus ihrer oder seiner Sicht Recht hat.
    Wenn das Überzeugen misslingt, kommt man vielleicht mit anderen Strategien zu einer Lösung: Auf der Basis von „Ich bin okay. Du bist okay“ und „Zusammen sind wir phantastisch“ können vielleicht alle Beteiligten ihre Meinungen, ihr Wissen und ihre Zweifel einbringen, um so gemeinsam zu einer optimalen Lösung zu kommen. Möglich als Lösung ist auch ein Kompromiss , bei dem die Betroffenen jeweils ein wenig von ihrem Standpunkt abrücken, um sich dann auf einen gemeinsamen Standpunkt zu einigen. Einen weiteren Lösungsansatz bietet die Suche nach einem Kompass. Das sind objektive oder auf jeden Fall gemeinsam akzeptierte Kriterien, aufgrund derer man zu einer Lösung kommt. So kann es sein, dass die eine Person gern im Urlaub nach Norwegen fahren möchte und die anderen nach Italien. Wenn nun die Person, die nach Norwegen fahren möchte, unter einer starken

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