Reden macht Leute
desto mehr Zeit braucht es, bis die Bereitschaft vorhanden ist, sie zu ändern.
Manchmal kann ein tief beeindruckendes Ereignis einen plötzlichen Meinungswandel auslösen. Denken Sie noch einmal an das Rauchen: Manche benötigen Jahre, bis sie von der Zigarette loskommen. Andere hingegen erleben, wie ein ihnen nahe stehender starker Raucher am Herzinfarkt stirbt, und hören von einem Tag zum anderen mit dem Rauchen auf. Man ändert Meinungen somit nicht nur aufgrund rhetorisch wirkungsvoll vorgetragener Argumente, sondern auch aufgrund äußerer Ereignisse und eigener Erfahrungen.
Manchmal kann man auch nicht überzeugen, wenn die gegnerischen Einwände unbekannt sind oder wenn nur Vorwände, hinter denen sich unser Gegenüber verschanzt, formuliert werden.
Beispiel:
So genierte ich mich vor vielen Jahren, in einem teuren Bekleidungsgeschäft zu sagen, dass ich ein Kostüm , das mir gut gefiel, nicht kaufen wollte, weil es mir einfach zu teuer war. Stattdessen brachte ich vor, mir sei der Rock zu kurz, ich wüsste nicht, ob meinem Mann das Kostüm gefiel, und ich hätte keine passende Bluse dazu. Doch da war ich an die falsche Verkäuferin geraten: Der Rock konnte verlängert werden, das Kostüm hätte ich zur Ansicht mit nach Hause nehmen können, und eine passende Bluse war schließlich auch bald gefunden. Trotzdem flüchtete ich irgendwann mit der blöden Bemerkung aus dem Geschäft, ich müsste es mir noch einmal überlegen. Hätte die Verkäuferin stattdessen meinen wahren Einwand gewusst, hätte sie mich vielleicht mit einem kräftigen Preisnachlass überzeugen können.
Sie merken, es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum man manchmal nicht überzeugt werden kann oder selbst nicht genügend überzeugt. Diese Einsicht war auch Aristoteles bekannt, der den Redner mit einem Arzt vergleicht: Auch ein Arzt, der sein Handwerk bestens versteht, wird nicht immer mit seiner Therapie Erfolg haben und Patienten sterben sehen. Der erste römische Rhetorikprofessor Quintilian geht sogar noch einen Schritt weiter. Er lässt den Anspruch der Rhetorik, die Kunst des Überzeugens zu sein, fallen und fordert nur die im stilistischen und moralischen Sinn „gute“ Rede.
Die Grenzen der Überzeugung sollten alle trösten, die in der Rhetorik eine moralisch minderwertige Kunst sehen. Solange sie kein totales Manipulationsinstrument ist und unser Gegenüber – aus welchen Gründen auch immer – nein sagen kann, ist die Rhetorik zwar gefährlich, aber jede(r) hat die Möglichkeit und Fähigkeit zur Gegenwehr. Deshalb lässt sich die Rhetorik auch ethisch verantworten.
Angenommen, Sie hätten überzeugt, können Sie dann erwarten, dass Menschen danach handeln? Oder Gegenfrage: Halten Sie sich immer daran? Vermutlich nicht; zwischen Überzeugung und Handlung besteht keine zwangsläufige Folge. Grundsätzlich ist zur Ausführung einer Handlung noch nicht einmal irgendeine Überzeugung notwendig! Selbst wenn Sie sie haben, müssten noch der Wille und die Möglichkeit, eine bestimmte Handlung überhaupt ausführen zu können, hinzukommen. So kann ich, auch wenn ich davon überzeugt bin, es wäre gut für mich, mir vor dem Zu-Bett-Gehen noch ein Bier zu genehmigen, keines trinken, weil es morgens um vier ist, ich kein Bier im Haus habe und alle Kneipen geschlossen sind.
Praxis-Tipp:
Wenn Sie bei einem Überzeugungsversuch Ihre Grenzen erkennen, dann können Sie von Ihrem Maximalziel abweichen und ein geringeres, aber erfolgversprechenderes Ziel anstreben. Als Beamtin oder Beamter würde es Ihnen wohl kaum gelingen, einen Bürger vom Nutzen eines Gebührenbescheides zu überzeugen. Doch können Sie für den Bescheid Verständnis wecken und erreichen, dass dieser anstandslos bezahlt wird. Gelingt das nicht, dann sollten Sie versuchen, dass der Bürger den Gebührenbescheid – wenn auch unter Knurren – wenigstens akzeptiert und nicht zum Rechtsanwalt läuft.
Den eigenen Standpunkt überzeugend vertreten
Die Fey-Tasse
Warum fällt es insbesondere manchen Menschen oft schwer, mutig ihren Standpunkt darzustellen? Oft wirkt es so, als hätten sie keinen. Oder sie verhalten sich so wie in der folgenden Geschichte der schwäbische Bürgermeister, der es sich mit niemandem verderben möchte.
Beispiel:
Zum Dorfbürgermeister kam einst ein Bauer und beklagte sich bitter darüber, dass sein Nachbar mit seinem Traktor immer über sein Grundstück fahre. Der Dorfbürgermeister nickte verständnisvoll und sagte zu ihm: „Da haben
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