Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
keine Angst vor ihm zu haben. Aber egal, Cluny würde sich ihn schon vornehmen, wenn die Zeit gekommen war. Inzwischen schaute sich die große Ratte in stiller Bewunderung um. Was für ein außergewöhnlicher Ort!
Er genehmigte sich einen flüchtigen Blick in die Zukunft. Eines Tages würde man das hier Clunys Schloss nennen. Das hörte sich gut an! Geschützt vor Angriffen, ein Leben in Saus und Braus – all das sah er vor seinem geistigen Auge: diese Mäuse und Waldbewohner versklavt, nur dazu da, ihm zu dienen. So weit das Auge reichte, würde er herrschen; Macht; das Ende seines Vagabundenlebens; ein Traum würde wahr werden: König Cluny!
Beim Betreten der Abtei hielt die Gruppe inne, um eine niedliche kleine Feldmaus vorbeizulassen, die ein Tablett trug.
»Oh, Matthias!«, sagte sie. »Ich habe hier eine Erfrischung für euch und -«
»Danke, Kornblume. Stell sie bitte auf dem Tisch ab«, sagte Matthias kurz angebunden.
Gierschlund stieß Cluny an. »Kornblume, was? Teufel auch, da haben wir aber ein süßes Mäuschen für Euch!«
Cluny blieb still. Er stand da und beobachtete mit unverschämtem Blick, wie Kornblume in der Wohnhöhle den Tisch deckte. Die war wirklich hübsch!
Der Abt wies auf die Stühle. Alle setzten sich, mit Ausnahme von Cluny, der gegen einen Tisch lehnte und den Stuhl als Fußbank missbrauchte. Wütend starrte er Gierschlund an, bis dieser sich erhob und neben ihm Stellung bezog. Lässig nahm Cluny sich eine Schale mit Honigmilch und probierte.
Platsch! Er spuckte das Getränk auf den Boden.
Der Abt verschränkte seine Arme in den weiten Ärmeln seines Gewandes und blickte den Kriegsherrn gelassen an. »Was führt dich nach Redwall, mein Sohn?«
Cluny stieß den Stuhl um und lachte wild auf. Sein Echo verhallte im Raum und sein Gesicht überschattete sich.
»Dein Sohn, ha, ha, das ist wirklich gut! Ich werde dir sagen, was ich will, Maus. Ich will alles. Das Ganze hier. Einfach alles. Verstanden?«
Matthias’ Stuhl fiel polternd zur Seite, als er nach vorn sprang und sich aus dem festen Griff des Abtes befreite.
»Hör mal zu, du Ratte, du machst mir keine Angst! Ich werde dir sagen, was wir davon halten. Nichts wirst du kriegen! Hast du das kapiert?«
Zitternd vor Wut, ließ Matthias sich wieder auf seinen Stuhl zurückziehen. Der Abt wandte sich an Cluny.
»Vergib Matthias, er ist jung und ungestüm. Was aber deinen Vorschlag betrifft, so fürchte ich, darauf nicht eingehen zu können. Solltest du oder deine Armee medizinischer Hilfe bedürfen, Essen, Kleidung oder sonst irgendetwas brauchen, bevor ihr euch wieder auf den Weg macht, dann werden wir euch nur zu gerne behilflich sein -«
Hier unterbrach Cluny ihn unhöflich, indem er mit der Klaue auf den Tisch schlug, bis der Abt verstummte. Dann zeigte er auf Gierschlund. »Lies ihnen die Regeln vor.«
Gierschlund hielt ein zerfetztes Dokument hoch. Er räusperte sich. »Dies sind die Regeln, die bei einer Kapitulation von allen Lebewesen, die Cluny der Geißel oder irgendeinem seiner Anführer unter die Klaue kommen, befolgt werden müssen. Erstens: Es wird total und bedingungslos kapituliert. Zweitens: Cluny wird die Anführer derer, die sich ihm in den Weg stellen, hinrichten. Drittens: Alle eroberten Besitztümer gehören einzig und allein Cluny der Geißel. Das schließt Behausungen, Lebensmittel, Ernte und Land mit ein. Darüber hinaus werden alle Lebewesen, die sich auf besagtem Besitz befinden, Clunys alleiniges Eigentum -«
Rratsch!
Weiter kam Gierschlund nicht. Matthias konnte sich nicht länger zurückhalten und schlug mit seinem Stock das Papier mit den Regeln mitten entzwei. Das zerrissene Dokument flatterte zu Boden und Gierschlund stürzte sich zähnefletschend auf Matthias.
Der Rattenoffizier war noch mitten im Sprung, als eine riesige, grobe Pfote ihn niederschmetterte. Benommen lag er am Boden, während Konstanze über ihm stand.
»Warum lässt du deine Wut an einem kleinen Mäuserich aus? So ein großer, starker Rattenkerl wie du kann es doch sicherlich mit einer alten Dächsin aufnehmen. Na komm, Versuchs nur mit mir.«
Wäre Abt Mortimer nicht rechtzeitig eingeschritten, dann wäre Gierschlunds Leben nicht mehr zu retten gewesen.
»Konstanze, würdest du bitte die Ratte aufstehen lassen! So gern ich sehen würde, wie er bekommt, was er verdient, so dürfen wir doch das Gesetz der Gastfreundschaft in unserer Abtei nicht brechen.«
Gierschlund kam taumelnd wieder auf die wackeligen Beine und
Weitere Kostenlose Bücher