Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
wich argwöhnisch vor der Dächsin zurück, Cluny sprach, als wäre nichts gewesen: »Du da, Mäuseabt! Ich gebe dir Zeit bis morgen Abend, dann will ich deine Antwort haben.«
Der Abt neigte normalerweise nicht zu Wutausbrüchen, aber jetzt starrte er Cluny mit kaltem, zornverzerrtem Gesicht ins Auge.
»Ich brauche nicht bis morgen, Ratte. Hier hast du meine Antwort! Wie kannst du es wagen, mit deiner Räuberbande hierher zu kommen und mir Regeln vorzulesen, die für uns den Tod und die Sklaverei bedeuten! Ich sage dir, weder du noch deine Armee werden jemals wieder auch nur eine Pfote oder Klaue in unser Redwall setzen, solange ich und meine Mitstreiter noch genug Atem im Leibe haben, zu kämpfen und euch Widerstand zu leisten. Das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist.«
Cluny grinste ihn höhnisch an und machte auf der Pfote kehrt. Gefolgt von Gierschlund stapfte er hinaus. Auf der Treppe zwischen der Wohnhöhle und dem Großen Saal hielt er an und drehte sich um – das Echo seiner kalten Stimme hallte von einem Raum zum anderen: »Dann fahrt zur Hölle, ihr alle, ganz egal, ob Mann, Frau oder Junges. Ihr habt meine Bedingungen nicht angenommen. Jetzt wird euch Clunys Strafe ereilen. Ihr werdet auf Knien darum betteln, schnell sterben zu dürfen, aber ich werde schon dafür sorgen, dass eure Folter qualvoll und lang sein wird, bevor euch der Tod erlöst!«
Da tat Konstanze etwas, was noch viele Jahre später in aller Munde sein sollte.
Mit der geballten Kraft eines weiblichen Dachses hob sie den wuchtigen Esstisch der Wohnhöhle an. Es war ein riesiger, massiver Eichentisch, den nicht einmal ein Dutzend Mäuse vom Fleck bewegen konnten. Geschirr klirrte und Essen wurde verschüttet, als Konstanze den Tisch über ihren Kopf stemmte. Dazu brüllte sie: »Raus hier, Rattenpack! Verlasst diese Abtei! Ich kann eure Stimmen nicht mehr hören. Und sputet euch, bevor ich das Gesetz der Gastlichkeit breche und den Abt dann später um Verzeihung bitten muss. Geht, solange euer Kopf noch auf den Schultern sitzt.«
Cluny versuchte, die Haltung zu wahren, während er ziemlich schnell die Treppe hinaufeilte. Gierschlund folgte dicht hinter ihm und lachte verlegen. »Ein großer Bauerntrampel, was, Käpten? Noch ein Wort von Euch da drin und die hätte den Tisch nach uns geworfen und uns in den Erdboden gestampft.«
Als ihm bewusst wurde, wem er da gerade seine anmaßende Bemerkung entgegengeschleudert hatte, duckte sich Gierschlund instinktiv, denn er erwartete, dass Cluny ihm für diese Unverschämtheit einen kräftigen Schlag versetzen würde. Aber nichts dergleichen geschah.
Cluny stand wie versteinert da.
Er hatte alles um sich herum vergessen, selbst Matthias und den Abt, die ihm gefolgt waren. Clunys Blick hing wie gebannt an dem Wandteppich.
»Wer ist die Maus da?«, keuchte er.
Matthias folgte dem starren Blick des Rattenmannes. Er ging mit ausgestreckter Pfote zum Wandbehang hinüber.
»Meinst du diesen Mäuserich?«
Cluny nickte stumm.
Matthias’ Pfote war immer noch ausgestreckt, als er mit stolzer Stimme verkündete: »Das ist Martin der Krieger. Er gründete unseren Orden, und ich sage dir etwas, Ratte: Martin war der mutigste Mäuserich, den es je gegeben hat. Wäre er heute hier, dann würde er sein großes Schwert packen und dich und deine Rabauken fortjagen. Diejenigen, die er nicht bereits zu Krähenfutter verarbeitet hat.«
Zum großen Erstaunen aller Anwesenden ließ Cluny sich den Weg nach draußen zeigen. Er ging den ganzen Weg zum Torhaus wie in Trance.
Die Wachmäuse verstummten, als Cluny und Gierschlund auf die Straße hinausgelassen wurden.
Geschwind versammelte sich die Horde um den Kriegsherrn und seinen Ersten Offizier. Sie erwarteten ihre Befehle. An Clunys Stelle rief Gierschlund: »Formiert euch! Zurück zur Kirche, marsch, marsch!«
Cluny marschierte ganz wie von selbst und schüttelte dabei ungläubig den Kopf.
Martin der Krieger. Die Maus, die ihn in seinen Albträumen verfolgte. Was hatte das zu bedeuten?
Als Gierschlund davonmarschierte, rief eine Stimme von der Mauer hinter ihm her. Er drehte sich um und schaute hinauf. Der zerrissene Zettel mit den Regeln – mit dem Dokument war eine Hand voll fauliges Gemüse eingewickelt worden – klatschte ihm ins Gesicht. Er wurde fuchsteufelswild, wischte sich mit seinen Klauen den fauligen Dreck aus den Augen und erblickte Konstanze, die sich, mit dem boshaften Grinsen der Schadenfreude auf ihrer gestreiften Schnauze,
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