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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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mir gerade mal zwei Stalkerinnen, die mich das ganze Jahr verfolgen, und das war’s dann. Meine Schwester denkt nicht dran, ich auch nicht an sie. Ich weiß übrigens nicht mal, an welchem Tag du geboren bist. Und ich bin mir sicher, dass du mein Geburtsdatum auch nicht kennst.“
    „Ich hab kein Selbstmitleid, verstehst du“, flüstere ich. „Ich hab nur dieses Auf-jemanden-Zugehen nicht in mir, ich bin linear kumpelhaft, breiig, flüchtig. Aber ich beschwer mich nicht. Es findet sich immer wer, der mit mir was trinkt und mir dabei erzählt, was ihn plagt. Die Mařenka, der Vlád’a, der Michal, der Šumák, die Žížala. Keinen von denen kennst du, meine Freunde haben dich nie interessiert.“
    Eine Krankenschwester bringt mir auf einem Tablett eine Tasse Tee gegen die trockene Kehle. Ich schlucke Puchvaldeks Aufguss, der nach Sacharin, nach Chlor, nach irgendwas Chemischem schmeckt.
    „Und dann gehe ich nach Hause über den Jiříhoz-Poděbrad-Platz“, brummle ich, „es ist halb zwei, der Plečnik ragt gegen den Mond auf und mir geht’s gut. Ich wasche ab, sauge Staub, dreimal im Monat ein Fick, ab und zu kauf ich mir bei
H&M
für zwei Tausender Jeans. Nur stelle ich dann bei Tageslicht fest, dass niemand diese Farbe trägt außer schmuddelige dickärschige Mittvierzigerinnen.“
    12 ICH STELLE DIE TASSE AUF DEN BODEN, WOANDERS IST KEIN PLATZ. „Aber ich bin frei, verstehst du“, murmle ich. „Ich kann mir jederzeit den Fuß ins Genick legen. Die meisten Leute um mich rum krepieren vor Müdigkeit, vor Stress, und ich, wie oft sitze ich an einem Werktag da und lese. Mich packt total das Grausen, was meine Freiheit angeht. Ich hab so viel davon in mir, dass notwendigerweise irgendwas falsch sein muss. Ich bin voll Freude, Eifer, Kraft, und gleichzeitig total im Arsch. Das Seltsame ist, wie gleichwertig diese beiden Bereiche sind – einer würde ohne den anderen nicht funktionieren. Na gut, Papa, ich muss los. Keine Angst, bleib ruhig und schlaf.“
    Papa macht die Augen auf. Erst eins, dann das andere. Er zeigt das Bemühen, das, was er sieht, sprich die Decke, mit dem Beobachter in seinem Innern, sprich einem Menschen, zusammenzukriegen. Ich stehe auf, um in seinem Blickfeld zu sein. Puchvaldek zufolge bringt das nix, er erkennt mich nicht. Mit Glubschaugen starrt er mich an. Ich spüre, wie mir eine Welle Gänsehaut den Rücken hinunterläuft. Wie sich mir die Haare aufstellen.
    „Barum holl isch bitte schlaphen?“, murmelt er. „Immerhin schlaph isch schon drei Bochen oder bie lange?“
    Ich finde keine Antwort.
    „Haschduade jemann?“, fragt er.
    „Wie bitte?“
    „Ob du eine Pheundin hascht, hab isch gephaht“, lispelt er mühevoll in den Schlauch.
    „Gerade nicht“, sage ich.
    „Dann huch dir eine, damidu nisch allein bischt.“
    „Ich werd’s versuchen.“
    „Und bingt misch hinterher ansch Meer.“
    „Ans Meer?“
    „Ja.“
    „Na gut.“
    „Isch bill insch Meer pherstreut berden. Ehal, in belschesch. Pherstehscht du, basch isch dir hahe?“
    „Ja“, sage ich.
    „Alscho, tschüsch, hm“, röchelt er und macht die Augen zu.
    Ich warte zehn Minuten, eine Stunde, aber mein Vater ist jetzt wieder off.
    13 ZU HAUSE SETZE ICH MICH ANS NOTEBOOK UND LESE E-MAILS.
    WAR GESTERN FISCHEN, MICHAL Š., schreibt Michal Š.
    WO?, frage ich.
    ORLÍK, antwortet er postwendend, der sitzt auch Tag und Nacht am Rechner. EINMAL IM JAHR MUSS ICH BARSCHE FANGEN, SONST HÄTTE ICH SEHNSUCHT. EIN BIER MORGEN? HALB 4 AM PLEČNIK?
    KOMME, antworte ich, schlucke eine Pille, begebe mich ins Bett, nach dem Aufwachen schalte ich mein Handy ein, kein verpasster Anruf.
    14 ZEHN VOR VIER NÄHERE ICH MICH DER KIRCHE. Schon von weitem sehe ich den hibbeligen Mlch mit den Strubbelhaaren, der an den Zierthujen auf und ab marschiert.
    Wir begrüßen uns und gehen gemächlich auf den Bergrücken zu, hinter dem das ruhige Vinohrady abrupt in das Žižkov der allerderbsten Sorte umkippt. Wir stehen in der Krásova vor dem
U vyndanejch. NUDELGERICHTE, RISOTTO, STEAK
verspricht die Kreide auf der Tafel vor dem Lokal, aber das ist bloß eine freundliche Lüge. Sie haben nur Essigwurst, schenken das Kopfschmerzbier
Svijany
aus und machen meist einen Hauch später auf, als es angeschrieben steht.
    So wie heute. Die Stirnwand ist mit einem Gitter verbarrikadiert. Wir gehen zurück in die Kubelíkova, biegen in die Ježkova ab, gehen durch die Bořivojova und steigen die Chvalova hinauf. Quer über den Fußweg ist eine

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