Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
Vom Netzwerk:
und Tábor. Eine Kollegin aus dem Theaterinstitut macht aus denen einen super Auflauf. Die dünstet sie mit Sahne und schichtet dann Palatschinken, Pilze, Palatschinken, Pilze, Palatschinken und Käse aufeinander und überbäckt das Ganze.“
    „Hört sich gut an.“
    „Ist es auch. Das Zweite, was an der Frau interessant ist, ist, dass sie jedes Mal einen epileptischen Anfall kriegt, wenn sie karierte Hemden bügelt. Und dabei trägt ihr Mann keine anderen, die kauft ihm seine Mutter. Das Facebook-Profil von dem Kerl heißt
Saboteur
, auf dem Foto da hat er ein kariertes Hemd an.“
    „Auf Facebook betreibt jemand ein Profil mit meinem Namen“, sage ich. „Ich hab schon fast Angst, unter Leute zu gehen – wenn jemand Facebook nur erwähnt, fange ich an zu stottern, werde rot, und dann ist es allen klar: Die glauben nicht, dass das nicht ich bin.“
    „An deiner Stelle würd’ ich da was unternehmen.“
    „Was denn?“
    „Dementieren.“
    „Dann müsste ich mich da anmelden, das will ich nicht.“
    „Dann ist das so wie mit deinem Helm – da kannst du nix machen.“
    Wieder kommen wir an der Ecke Krásova vorbei. Der Kellner, oder wie man den nennen soll, rackert sich gerade mit dem Gitter vor der Tür ab. Das Eisen knirscht und kracht, dann ist offen. Was jetzt? Einkehren, obwohl wir auf einmal kein bisschen Lust mehr haben, uns in die verräucherte Suffbude von dem da zu hocken? Lieber würden wir noch ein paar Runden drehen, zwei, drei mindestens. Wir gehen aber rein. Ein Glas ans andere stoßen, großkotzige Reden führen. Uns gegenseitig die schäbigen Aufziehhühnchen aus Blech vorführen, die unsere Leben sind. Am Schlüssel drehen und zugucken, wie sie picken.
    15 ICH WERDE WACH UND GREIFE NACH MEINEM HANDY. Vier verpasste Anrufe, unbekannte Nummer. Zwischen zwei und halb drei. Plus zwei Nachrichten auf der Mailbox. Der erste Anrufer schweigt, der zweite legt auf.
    Dr. Puchvaldek nimmt meinen Anruf um 8.06 Uhr entgegen.
    „Es tut mir leid“, sagt er, „aber ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihr Herr Vater heute Nacht verstorben ist. Wir haben Sie telefonisch nicht erreicht.“
    „Ja“, sage ich, „ja, ich komme. Ja.“
    Der Doktor nimmt sich meiner an, bringt mich zu einer Tür. Ich stehe vor der körperlichen Hülle meines Vaters. In der Höhle meines Hirns blubbern unsinnige Wörter. Oremus, Helix, Hoax, Pax. Welcome to NERO! Are you sure? One, two, check, ks, ks. Falls du mich wahrnimmst, hab keine Angst. Immer lauf, geh weiter.
Realität ist die Spannung zwischen dem Beobachtenden und dem Beobachteten
. Wer könnte das geschrieben haben? Keine Ahnung. Aber so ist es. Sei nicht sauer, dass ich nichts empfinde. Das haut mir erst ungefähr übermorgen die Beine weg. Hab keine Angst. Entschuldige, ich muss los. Der Doktor wartet auf dem Flur, dieser Kauz. Also, mach’s gut.
    Ich fahre nach Hause, ziehe mir die Schuhe aus, gehe in die Küche, setze Kaffeewasser auf, schütte drei Teelöffel in das Mokkakännchen und lasse das Ganze aufschäumen. Ich halte das Kännchen mit dem Geschirrtuch am Stumpf des Griffs über die Flamme, der Stiel ist irgendwann mal abgebrochen. Wie ich sehe, würde es reichen, ein Stück Kochlöffel abzusägen, ein Tropfen Sekundenkleber und fertig. Ich müsste mir nicht die Finger verbrennen.
    Ich nehme einen Kochlöffel, mein Multitool, den Superkleber und los geht’s.
    Stolz besehe ich mir das vollbrachte Werk.
    Auf dem Regal liegt ein Diktiergerät. Ich puste den Staub weg und schalte es ein. Nichts. Ich gehe in den Tabakladen, Batterien kaufen, stopfe sie in das Gerät und drücke noch einmal auf den Knopf.
    „Wer hat also den Schimanski gespielt?“, fragt meine plattgewalzte Stimme.
    „Den Film kenne ich nicht“, sagt die Stimme meines Vaters.
    „Das ist eine Serie, kein Film“, erwidere ich. „
Tatort
, Kriminalpolizei Duisburg, Hafenkräne, Docks, Hausboote, du weißt schon, Schimmi im Parka.“
    „Harald Reinl?“
    „Nein.“
    „Ich weiß, Götz heißt der. Ich weiß bloß nicht, ob das sein Vor- oder sein Nachname ist.“
    „Weiß ich auch nicht“, näsele ich vom Band. „Dann sag mir noch, wer die weibliche Hauptrolle in
8 ½
gespielt hat.“
    Knistern, langes Knistern.
    16 ZUM ERSTEN MAL HAT ER MICH IN DIESER ANGELEGENHEIT UNGEFÄHR VOR EINEM HALBEN JAHR ANGERUFEN. Ich habe ihn am Klingeln erkannt. Tock-tock und gut. Er hat sich beschwert, dass ihn sein Gedächtnis verlässt. Und mich gebeten, ob ich es ab und zu mit ihm trainieren könnte.

Weitere Kostenlose Bücher