Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)
Serie von Hundeknödeln platziert, besprüht mit einem strahlenden Metallic-Lack. Michal holt seinen Fotoapparat heraus und knipst. Enthusiasmus ist seine Kardinaleigenschaft. Ein unablässiges freudiges Happening, der kleinste Anlass genügt.
„Alle Bekannten fahren jetzt in einer Tour nach New York“, sage ich, um was zu sagen.
„Was für Bekannte?“
„Leute aus so einer Clique, die sich ab und zu mal trifft.“
„Ich bin nie in irgendeiner Clique gewesen. Warum stört dich denn, dass die nach New York fahren?“
„Das stört mich nicht, ich bin nur mordsgespannt, wann’s denen einfällt, dort auf Dauer vor Anker zu gehen.“
„Und was machen die dort?“
„Einer liegt in einem Keller und liest die Tagebücher von Havel, der zweite geht alleine durch die Stadt und fotografiert Brücken, der dritte ist Molekularbiologe, der hat eine Wohnung im 42. Stock, eine Frau, Kinder, und der hört überhaupt nicht auf.“
„Aus dem 42. Stock muss man ja einen Ausblick haben wie von der Milešovka.“
„Weiß nicht. Auf der Milešovka bin ich vor neun Jahren gewesen, Sonnenfinsternis gucken. Und was glaubst du, ist passiert?“
„Es war so neblig, dass du deine eigenen Füße nicht gesehen hast.“
„Woher weißt du das?“
„Ich bin auch dort gewesen. Die ganze Finsternis lang hab ich in dem versifften Bistro da oben gesessen. Dünner Fertig-Grog und Katzenhaare in der Tütensuppe. Mit wem bist du denn dort gewesen?“
„Mit dem Igor, dem Petr und der Hana“, sage ich.
„Ich war allein.“
„So ist dir das am liebsten, oder?“
„Was?“
„Allein zu sein.“
„Ich? Ich hasse Alleinsein. Seit ich sechzehn bin, bin ich dauernd allein.“
Unsere Schritte führen uns durch die in den steilen Hang gehauene Bořivojova. Die Mietshäuser atmen den Geruch nach Mäusedreck und alten Medikamenten. Wir kommen durch ein Zauberreich, wo Kneipen, Spelunken, Spielhallen und andere Löcher in geradezu Schwindel erregendem Tempo entstehen und wieder eingehen.
„Hast du den Fanda gekannt?“
„Welchen?“
„Den Piroháček, Pašek, Tvarožek … Scheiße, wie hieß der noch? František, Franta, verflucht … Der hat dort in der
Jeskyňka
Bier ausgeschenkt.“
„Da bin ich nie gewesen.“
„Ein Nest voll versauerter Alt-Untergrundler, da hast du nichts verpasst.“
Wir gucken in die Krásova, immer noch nichts. Also wiederholen wir unsere Runde.
„Parožek!“, schreie ich in der Kubelíkova. „Rückenlange Haare, um die fünfzig, ein abgerissener Typ aus Kladno. Nur, der ist manchmal drei Monate nicht in sein Kladno gekommen, der hat die Öffnungszeiten bis in die Nacht rausgezogen und dann keinen Bock gehabt, zum letzten Bus zu hetzen. Also hat er dort auch geschlafen, der hatte im Flur neben den leeren Alufässern eine Schaumgummimatratze. Einmal hat sich eine gewisse Saša in die
Jeskyňka
verirrt, und er hat sich mit der den ganzen Abend lang einen Luftballon über den Zapfhahn hin und her geschnippt, während die Gäste vor Durst krepiert sind. Klar! Der Parožek! Ordentlich kaputte Seele. Ein andermal sind Skater mit ihren Mädels gekommen, der Fanda hat die mit Schnaps abgefüllt, hat sich bis auf die Unterhose ausgezogen und für die Mädels an der Stange getanzt.“
„Wo hat der denn die Stange hergenommen?“
„Der hat ein Stück Rohr in einen Weihnachtsbaumständer gesteckt, hat den Recorder angemacht und getanzt, bis die Mädels total verhext waren. Die angepissten Skater sind abgehauen und haben die Mädels dort gelassen. Die waren dermaßen in Trance, der hätte mit denen machen können, was er wollte. Und er hat jeder einen Schmatz auf die Wange gegeben, hat ihnen ein Taxi gerufen und sie nach Hause geschickt.“
„Das Vernünftigste, was man mit einer Frau machen kann.“
Über das Kopfsteinpflaster rumpelt ein silbriger Wagen.
„Die Karre da hätt’ ich gerne!“, schreit mein Wandergefährte, kommt aus dem Tritt, stolpert, knallt auf einen Stein, springt wieder auf. „’n Porsche! Den würde ich noch am selben Tag wieder verkaufen. Mir reicht für alle Wege mein Rad. Was mich daran erinnert, dass du mich schon zwei Jahre zu einem Ausflug zu den Rokytka-Quellen überreden willst.“
„Ende nächster Woche zum Beispiel?“, sage ich, was ich immer sage.
„Gibt’s da Wurzeln?“
„Ab und zu mal, warum?“
„Dann nehm ich einen Helm mit, den hätte ich auch so mitgenommen. Ich denke eher noch an Schienbeinschützer, wenn ich mir überlege, wie oft ich
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