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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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gelernt zu telefonieren. Entweder das. Oder wir schweigen ins Telefon. Jemand ruft an, murmelt Ahoi und ist still. Eine Sache des Naturells. Ich hab nicht die Nerven dazu.
    „Bist du da?“, sage ich.
    „Mhm.“
    „Was machst du?“
    „Alt sein.“
    „Das heißt nicht, dass du Trübsal blasen musst.“
    „Woher soll ich denn die Freude nehmen?“
    „Fahr zum Beispiel jemanden besuchen.“
    „Alle Bekannten, die mir geblieben sind, wohnen in Dejvice, die Strecke schaff ich mit meinen Beinen nicht mehr.“
    „Und warum kommt nicht einer von denen zu dir?“, schnauft mein akustisches Phantom, der näseln de Hurensohn.
    „Weil die gesundheitlich durch die Bank schlechter dran sind als ich.“
    „Dann schnapp ich mir eben irgendwann eine Flasche Wein, komm zu dir und wir trinken den.“
    „Das versprichst du mir schon seit Jahren.“
    „Zeitlich sieht’s bei mir schlecht aus, tja. Am Morgen hab ich im Kopf noch Ruhe und Frieden, und noch bevor ich mir die Zähne fertig geputzt hab, ist das perdü, ab dem Moment komme ich zu nichts mehr.“
    „Das sagst du mir schon seit vierzehn Jahren immer wieder.“
    „Wieso?“
    „Ich weiß nicht, wieso. Seit 1994 hast du keine Zeit. Was dröhnt denn da bei dir so?“
    „Hardrock.“
    „Was für Hardrock denn?“
    Der Sohn buchstabiert gehorsam etwas vor.

„Was? Ich kann dich fast nicht verstehen.“
    „Dann mach deinen Fernseher leiser“, quakt der Kasper.
    „Könnt’ ich machen, Moment.“
    Knacken, Knarzen. Akustisch keine Veränderung, im Gegenteil, ich hab das Gefühl, das Geräusch ist lauter geworden. 36 Sekunden tut sich gar nichts.
    „Wo bist du denn?“, krächze ich.
    „Hier“, lautet die Antwort. „Ich halte den Hörer, warte, was du sagst, und denke dabei an meinen Bekannten Mirek Skořápka. Der hatte die noble Angewohnheit, sich seine Hände mit einer in trockenem Gin eingeweichten Serviette abzuwischen. Dann hat er sich einmal auf einem Ball betrunken, er hat ins Mikrofon gesagt:
Gott scheint mir eine rotierende Schraubenwelle zu sein
, dafür haben sie ihn von der Fakultät geschmissen. Der hat dann in einer Fabrik gearbeitet, und dort hat er sich totgesoffen. Er ist an der Stelle geboren, wo heute am Náměstí republiky dieses Kaufhaus, das
Kotva
, steht. Mir hat er gesagt, dass dort, wo ihr Haus gestanden hat, einmal der königliche Hof gewesen ist, aber ich glaube, das hat er erfunden. Könntest du mal nachschauen?“
    „Ich geb mal
Náměstí republiky
ein.“
    „Hm.“
    „Übrigens, wie kannst du lesen, wenn dabei dein Fernseher dröhnt?“
    „Der ist aus Gewohnheit an, ich achte gar nicht drauf.“
    „An der Stelle, wo das
Kotva
ist, stand mal eine romanische Kirche.“
    „Mich interessiert, was nach der dort stand.“
    „Sie haben dann dort die Stadtbefestigung gebaut. Ach … und dann gab es dort wie aus heiterem Himmel tatsächlich eine Königsresidenz.“
    „Wann?“
    „Seit Ende des 14. Jahrhunderts. Wenzel IV. hat dort residiert, Ladislaus Postumus ist dort verstorben, von dort aus ist die Krönungsprozession von Georg von Podiebrad losmarschiert. Dann ging es zwangsläufig wieder bergab, Kloster, Kaserne, Misthaufen, Kaufhaus. Ob in der Zwischenzeit dort mal ein Haus gestanden hat, steht hier nicht.“
    „Die Politiker heutzutage sind der totale Abschaum“, ist die Antwort. „Vor dem Krieg saßen überall Profis, in den Kaufhäusern und in der Politik.“
    „Mhm, wir wissen ja, wie das dann ausgegangen ist.“
    „Profis machen professionelle Fehler, aber das jetzt ist eine Bande von Schlagersängern, Geschäftemachern, Schauspielern, Betrügern und Bürohengsten. Was soll daraus schon werden, das bricht wieder alles zusammen. Das erleb ich zum Glück nicht mehr.“
    „Wieso nicht, das kann schon übernächstes Jahr rums machen.“
    „Ja, eben.“
    „Ach, hör auf, du wieder.“
    „Du willst nicht, dass ich über die Gesundheit rede, also mach ich’s auch nicht.“
    „Keiner ist ganz gesund, das alles beruht auf Ungleichgewicht, auf Bewegung, auf angeborener Instabilität.“
    „Ganz im Gegenteil, die Natur wird von absolut stabilen Prozessen beherrscht, für uns vielleicht unberechenbar, aber stabil, was den Verlauf betrifft. Wenn du also sieben Tage keinen Stuhlgang hast, dann heißt das, da ist was los. Erst heute musste ich mir einen Finger reinstecken, um das Zeug rauszuholen.“
    „Verstopfung, tja.“
    „Hm, ch-ch. Was steht denn Interessantes im Internet?“
    „Ein Mann hat seine Frau aus einem

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