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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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Vater gestikuliert. Sie sprechen miteinander in einer Geheimsprache: „Ivit fju? Kä? Kähor ma. Jaaschisch, jocholo, jocho. K’chasch! Tje brudem knjech! Hä, hä!“ Das macht mich verrückt. Ich hebe einen Ast vom Boden auf und stupse damit beide von hinten gegen den Rücken, den Kopf. Der Zwerg macht verlegene Geräusche. Mein Vater geht weiter und hält still. Plötzlich dreht er sich um, reißt mir den Ast aus der Hand, schmeißt ihn in die schwarze Fichtenschonung und blafft mich an: „Das reicht jetzt!“ Seine Augenbrauen sind irgendwie verzerrt, seine Augen rund wie die von einem Menschenaffen. „Lasch ihn doch, isch doch gansch luschtisch mit ihm“, nuschelt die Kasperlepuppe mit der Brille.
    In unserem Rücken ertönt ein donnerartiges Hupen. Durch den Wald fährt ein Güterzug. Eine Bahnstrecke führt hier entlang. Die Achsen dröhnen, der Motor röchelt, die ölverschmierten Schachtelhalme zwischen den Schwellen zittern. Puch, puch, puch. Der Knilch bläst Rauch aus und grinst. Er hat goldene Schneidezähne. Die kommen mir verdächtig vor, die stammen wohl nicht aus dem Hippocampus.
    Ich sehe mich mit einer Schreckschusspistole schießen. Krach, Papa fällt ins Gras und bewegt sich nicht mehr. Er bricht unter einem Haselnussstrauch zusammen. Ich rede auf ihn ein, fasse ihn an, rüttle an ihm. Gepackt von eisigem Entsetzen rufe ich meinen Großvater herbei. Mein Vater liegt da. Weiß wie Papier. Mein Großvater kommt angerannt. „Ivan, was machst du für Blödsinn?“, fragt er. „Mich ausruhen“, antwortet Papa unwirsch und bleibt liegen.
    23 UND DAS WAR’S. Ich spule die Aufnahme vor und zurück, mehr ist nicht drauf. Nichts, was ich nicht schon gehört hätte. Ich erhebe mich vom Teppich, biege meinen Rücken gerade, ziehe mir ein Hemd über, schließe die Wohnungstür ab und mache mich auf zum Spätkauf in der Sudoměřská. Aus dem Inneren des ehemaligen Militärbuchladens im Haus gegenüber donnern lange Salven. Ein Typ im Blaumann reißt eine Wand raus. Von der Schlagbohrmaschine ergießt sich ein Funkenregen. Im Staubnebel hinter ihm stehen ein paar wie er, sie gucken zu und rauchen.
    Auf dem Jiřího-z-Poděbrad-Platz singen die Vögel. Flutlichtstrahler von Diskos fingern den Vorabendhimmel über dem Zentrum ab.
    In der Lucemburská kriege ich eine SMS:
Seit einer Woche rede ich mit meinen Zimmerpflanzen, seitdem geht’s denen prima, ohne Scheiß. Wie ist dein Programm heute? Würde gerne eine verwandte Seele treffen
.
    Ich schreibe:
Sorry, hab heute keine Kapazitäten frei
.
    Ich will nicht streiten, dachte nur, es täte uns gut, nebeneinander zu liegen
.
    Ich hol mir gerade moldawischen Cognac, muss ein bisschen allein sein
.
    Nun sag schon, wann ich kommen soll, ich bin fix und fertig und ohne Dach überm Kopf
.
    Das ist nicht in Ordnung, sage ich mir, ein Mädel zurückzuweisen, das gebildet, schlau, überspannt, weich, jung, duftig, fix und fertig ist. Ich sollte sie nicht wegschicken. Wir hatten’s schön miteinander. Ungefähr drei Mal, der Rest war Rumgefasel.
    Ich will allein sein
, schreibe ich.
    Du asoziales Arschloch, so was wie dich hat niemand verdient. Zu seinem schlimmsten Feind würde man nicht so sein. Glaubst du wirklich, dass ich dich nach all dem rumkriegen will? Armes Schwein, echt, fick dich ins Knie!
    Die Lucemburská ist lang. Es fängt an, ganz fein zu nieseln. Super Wetter. Das am Fußweg klebende Laub hat die Farbe von frisch aufgequollenem Grüntee. Die Zigeunerinnen auf dem Geländer quarzen, ohne dass sie der Regen juckt. Sie streichen sich ihre nassen Röcke über die Schenkel.
    Ich kriege einen Nachtrag:
Dein langweiliges, schmieriges, pseudo-unorthodoxes Leben, ohne Gefühle, ohne Verpflichtungen, nur auf Oberflächlichkeiten ausgerichtet, so anziehend wie fade. Du bist ewig unzufrieden, angepisst, unentschieden, man kommt dir nicht näher, du lässt dich nicht drankriegen, machst den großen Maxe, spülst alles runter und wieherst wie ein Pferd, und tief drinnen hast du Schiss und schläfst alles mit Stilnox weg. Willst du so sterben? Ja, das willst du. Und du wirst auch noch lächerlich stolz drauf sein
.
    24 DIE VERKÄUFERIN SITZT AUF IHREM STUHL WIE EIN SACK KARTOFFELN, IHR BLONDES KÖPFCHEN LEHNT AN DER WAND UND SIE ATMET GLEICHMÄSSIG. Kaum knallt die Tür, stellt sie sich hin, schnappt sich den abgepackten Käse, das Brötchen, das Bund Bananen. Ihre Augen sind zu, die Wimpern zittern, sie lächelt. Irgendwas träumt sie. Als ich mit dem

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