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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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Wissenschaftler sich für Kometen interessieren, ist der, dass sie in ursprünglichem Zustand durchs All reisen, organische Moleküle verbreiten und so Leben auf die Planeten verteilen.
    „Bei mir ist gerade ein Kerl mit einer Frau gewesen“, verkündet mein Vater, „die haben mir einen Zettel mit einem Stempel gezeigt und gesagt, falls ich mir meine Wohnung für viereinhalb Millionen kaufen will, dann kann ich das gerne tun. Ansonsten kauft sie angeblich jemand anderes mit mir drin und setzt mich dann vor die Tür. Glaubst du, dass die so was machen können?“
    „Wohl kaum, die müssen dir einen Ersatz anbieten.“
    „Die haben gesagt, dass sie mir keinen geben. Entweder ich geb ihnen das Geld, oder ich muss raus. Kennst du nicht einen Rechtsanwalt oder wen, der mich beraten kann?“
    „Einen kenne ich, aber der hat keine Zeit, andere Anrufe anzunehmen als berufliche. Iva weiß nichts?“
    „Die redet nicht mit mir.“
    „Dann pfeif auf die und lass sie, soll sie selber drauf kommen, ob du ihr nicht vielleicht fehlst.“
    „Und wenn sie drauf kommt, dass ich ihr nicht fehle? Die ist wie ein kleines Kind, ich kann sie nicht außer Sichtweite lassen.“
    „Sie ist 42, oder?“
    „Alter und Selbstständigkeit haben nichts miteinander zu tun.“
    „Also fährst du gerade nicht zu ihnen, oder doch?“
    „Ich muss, was sollen die denn bitte essen, Iva kann gerade mal Hühnchen und Buchteln machen. Ich fahre hin, mache Risotto, koche Sauerkrautsuppe und fahre wieder zurück.“
    Pause.
    „Bist du noch dran?“, rasselt meine fünfzig Jahre alte Stimme.
    „Hm, mir ist nur gerade schwindlig gewesen. In letzter Zeit passiert mir das öfters, dass mir schwindlig wird, dass ich fast in Ohnmacht falle. Einmal bin ich auch gegen den Schrank geknallt.“
    „Soll ich kommen?“
    „Was willst du denn hier, Hauptsache, du kommst am Sonnabend. Ich hau mich auf’s Ohr, ahoi.“
    „Ahoi.“
    21 ICH LIEGE DA UND NIPPE AN MEINEM MOLDAWISCHEN COGNAC. Eigentlich schmeckt er mir gar nicht besonders, um den Geschmack geht es aber gar nicht. Es ist eine Sache der Dynamik. Alkohol hilft, die ansonsten unerträglich lineare Bewegung durch die Zeit zu rhythmisieren und zu strukturieren.
    „Na, hast du mich auch nicht vergessen?“, fragt das Diktiergerät.
    „Morgen früh bin ich bei dir“, antwortet die Maschine.
    „Schaffst du das bis acht?“
    „Hm.“
    „Deine Stimme ist komisch.“
    „Ich kann kaum noch kriechen, ich bin gerade aus dem Mittelgebirge zurück.“
    „Wie war’s?“
    „Ich bin mit einem Fallschirm an den Bergen langgeflogen.“
    „Also, ich leg mich hin, bis morgen, ahoi.“
    „Ahoi.“
    22 ICH LIEGE DA UND LASSE DEN ERINNERUNGEN FREIEN LAUF. Für ihre Zuverlässigkeit ist laut Internet der Hippocampus verantwortlich, der Teil des Gehirns, in dem sie archiviert werden. Bloß – oha, jede fünfte bis achte Erinnerung ist falsch. Falsche Erinnerungen produziert außerdem nicht einmal der Hippocampus selbst, sondern ein Zentrum im B ereich des Scheitels. Das kommt in dem Moment in Bewegung, wenn der Träger des Kopfes sich an Details erinnern muss. Die stehen oft nicht zur Verfügung, und so werden sie automatisch aus anderen Quellen dazudekoriert.
    Ich sehe, wie in der unteren Ecke des Gartens zwischen den Kiefern das Tor aufgeht. Mein Vater mit Mantel und Schiebermütze kommt rein, unter der Mütze eine Nase, schuldbewusste Augen, in der Hand die orangerote Lederaktentasche. Wie ein Wahnsinniger, der einen auf geheimer Atomingenieur macht. Ich laufe zu ihm, nehme ihn an der Hand. Wir gehen über den Fußweg voller Fichtennadeln zum Haus. In einer Baumkrone raschelt monoton irgendein Vogel. Unterwegs sammeln wir ein paar Kienäpfel auf. Mit denen bewerfen wir, versteckt hinter einem Rhododendron, die Mutter meines Vaters, die gerade Wäsche aufhängt. Die protestiert nicht und lacht auch nicht, sie beachtet uns gar nicht, denn die Zapfen treffen sie am Rücken. Einer hängt ihr hinten in den leuchtend gelben, frisch ondulierten Haaren. Sie ist verträumt wie immer. Die ungefähre Richtung oder das Thema ihrer Träumereien zu entschlüsseln, ist nicht einmal ihrem Mann, meinem Großvater, in den sechzig Jahren ihres gemeinsamen Lebens gelungen.
    Ich sehe, wie wir auf einem schnurgeraden und langen Waldweg unterwegs sind, links von meinem Vater ich, rechts ein Zwerg mit beginnender Glatze und einer Brille, die ihm übers halbe Gesicht reicht. Der Gnom zieht wichtigtuerisch an seiner Pfeife, mein

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