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Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition)

Titel: Regeln des lächerlichen Benehmens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Hakl
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ich um die Bucht herum.
Das Lügen ist das einzige Privileg des Menschen unter allen anderen Organismen
, fällt mir dabei ein.
Seine eigene Unwahrheit zu verkünden ist schließlich besser, als eine fremde Wahrheit zu sagen. Im ersten Fall bist du ein Mensch, im zweiten ein ganz gewöhnlicher Papagei. Ein ganz gewöhnlicher Papagei …
Aus was ist das?
    Ich schiebe die glitschigen Ranken vor mir auseinander und schwimme hindurch. Die Kronen der krummen Eichen brennen in goldenem Licht, der Rest ist in ein Halbdunkel getaucht.
    Die Zelte am Ufer fangen an zu sprechen.
    „Kein bisschen Ruhe, du kennst das ja“, beschwert sich das eine, „immer nur Kontrolle, Überwachung. Einmal, als ich in Adršpach sein soll, schreibt sie: Ich komme zu dir, in fünf Minuten klingle ich. Ich bin nicht zu Hause, schreibe ich. Ich weiß, dass du zu Hause bist, antwortet sie, ich bin schon in deiner Straße.“
    „Und bist du dort gewesen?“
    „Klar doch.“
    „Woher hat die das gewusst?“
    „Das weiß ich ja eben nicht. Fenster zum Hof, die Jalousien unten, das Haus abgeschlossen. Ich mach aber trotzdem das Licht aus, schalte die Elektrogeräte ab, sitze im Dunkeln wie ’n Nerz und hör zu, wie sie unten auf der Klingel rumdrischt und mich gleichzeitig auf dem Handy anruft. Und ich fühl mich beschissen, Alter, von wegen, ich bin hier der Chef.“
    „Warum schießt du die nicht ab?“
    „Was glaubst du denn, was ich schon ein Jahr versuche?“
    „Kapier ich nicht.“
    „Ich schon – sie hat kein Hobby, kein Interesse an nix. Das Einzige, was sie echt heiß macht, sind Beziehungen.“
    „Du, weißt du, dass man in Griechenland super von Schildkröten leben kann, die im Gestrüpp vor der Stadt rumkriechen?“
    „Hast du die gefressen?“
    „Ich hab jeden Tag zwei Koffer damit vollgestopft, bin an den Strand, hab den Zauber meiner Persönlichkeit spielen lassen, und die Deutschen haben gekauft wie die Blöden. Verhaftet haben die mich erst nach der Saison, knallharte Ordnungsstrafe und Einreiseverbot.“
    „Hast du das Platschen gehört?“
    „Der Schwejk ist baden gegangen.“
    10 DIE JUNGS VERFALLEN GLEICH AM MORGEN DEM FISCHFANG. Falsche Fischlein ziehen Kreise durch den Tümpel, funkeln in den Blaualgen und locken unvorsichtige Seelen an. Ins Gras klatschen Barsche. Ich streiche ihnen ihr aufgestelltes dorniges Fähnlein glatt, zertrenne die Rückengräte, die Flosse wird schlaff. Wir braten die Fische in der Pfanne für später, kochen Tee, packen zusammen, laden ein und brechen auf.
    Nach einer Weile Rudern spuckt uns die Mündung des Kanals auf eine unermessliche Wasserfläche hinaus. Ihre Ufer verlieren sich in den flirrenden Weiten. Der See ist bedeckt mit einem zusammenhängenden Feld blühender Teichrosen. Wir versinken im Gelb. Es bricht von allen Seiten über uns herein wie Maschinengewehrfeuer. Es dröhnt uns im Kopf, wir können kaum noch klar denken, reiben uns die Augen.
    „Merhei“, konstatiert Rulpo mit der Nase in der Landkarte. „Merhei oder Mati?a, ein saumäßig großer See, über den müssen wir rüber. Gegenüber müsste eine Rinne sein, durch die kommen wir dann weiter.“
    Wir quetschen uns durch den Dschungel auf dem Wasser. Es ist, als würden wir durch Sauerkraut rudern.
    Ab und zu tut sich neben unserer Bratpfanne kurz die Oberfläche auf. Wir starren hinunter. Am Boden entlang hasten haufenweise Krebse, alle in dieselbe Richtung. Sie zwängen sich durch lockige kleine Büsche, die von schrägen Sonnenpfeilen durchleuchtet sind. Unter den Steinen wimmeln Milliarden von Würmchen. In der trüben Schlammbrühe lauern die raubgierigen Larven von Libellen und Wasserkäfern.
    Murgy zieht sein T-Shirt aus und geht ins Wasser. Es ist flach hier. Wir beobachten, wie die Krebse vor seinen Händen davonschießen, ihnen ausweichen, sich zurückziehen, verschwinden. Einen fängt er, triumphierend hebt er ihn in seiner Handfläche nach oben. Wir wollen ihm ahoi sagen, doch der harte Bursche zuckt mit seinem Hintern und ist weg.
    Murgy zieht sein T-Shirt an, setzt sich Kopfhörer auf und ergreift die Ruder.
    „An unlimited supplaaai / and there is no reason uaaai“
, stimmt er aus heiterem Himmel in der rasiermesserscharfen Diktion von Hansi dem Verrotteten an.
    „I tell you it was all a fraaaim, / they only did it ’cos o’ faaaim… Who?“
    „Ih-äm-ai“
, brumme ich am Bug und schaue auf den Grund.
    „Ih-äm-ai“
, sagt Rulpo mit den Augen auf der Landkarte.
    Ein dreißig Jahre alter

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