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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Zufluchtsstätte geschaffen, für den Fall, daß der Wahnsinn sie zu überwältigen drohte, und wenn die Phantasie ein wenig fadenscheinig wurde, wie ein Teppich, bei dem man die Fäden sehen konnte, wo er am stärksten begangen wurde, dann war das nicht seine Schuld.
    Und sie konnte ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Würde es nicht tun.
    Audrey nahm den Hörer von der Gabel. Der Hörer war lächerlich klein, für ein Kind gedacht, aber das fiel ihr kaum auf. »Tu ihm nicht weh!« schrie sie hinein. »Tu ihm nicht weh, du Monster! Wenn du jemandem weh tun mußt, dann m-«
    »Tante Audrey!« Es war Seths Stimme, durchaus, aber verändert. Kein Stottern, kein Ringen nach Wörtern, keine Anfälle von Gestammel, und obwohl die Stimme ängstlich klang, schien sie weit von einer Panik entfernt zu sein. Jedenfalls noch. »Tante Audrey, hör mir zu!« »Ich höre! Sprich!«
    »Komm zurück! Du kannst jetzt aus dem Haus! Du kannst fliehen! Tak ist im Wald ... aber die Power Wagons werden zurückkommen! Du mußt weg, bevor sie hier sind!« »Was ist mit dir?«
    »Mir wird nichts geschehen«, sagte die Stimme aus dem Telefon, und Audrey dachte, daß sie eine Lüge heraus -hörte. Zumindest Unsicherheit. »Du mußt zu den anderen. Aber bevor du gehst... «
    Sie hörte sich an, was er von ihr wollte, und absurderweise war ihr zum Lachen zumute - warum hatte sie nie selbst daran gedacht? Es war so einfach! Aber ... »Kannst du es vor Tak verheimlichen?« fragte sie. »Ja. Aber du mußt dich beeilen!«
    »Was sollen wir tun? Selbst wenn ich zu den anderen komme, was können wir -«
    »Das kann ich jetzt nicht erklären, die Zeit reicht nicht. Du mußt mir vertrauen, Tante Audrey! Komm jetzt zurück und vertrau mir! Komm zurück! KOMM ZURÜCK!« Der letzte Schrei war so laut, daß sie sich den Hörer vom Ohr riß und einen Schritt zurückwich. Sie verspürte einen Augenblick völliger Orientierungslosigkeit, als sie fiel, dann schlug sie mit dem Kopf seitlich auf dem Boden auf. Der Teppich im Wohnzimmer milderte den Aufprall, dennoch tanzte vorübergehend ein Kometenschwarm vor ihren Augen. Sie richtete sich auf und roch altes Bratfett und das stickige Aroma eines Hauses, das seit einem Jahr oder mehr nicht mehr richtig geputzt oder gelüftet worden war. Zuerst betrachtete sie den Stuhl, von dem sie gefallen war, dann den Telefonhörer, den sie mit der rechten Hand umklammerte. Sie mußte ihn in dem Moment vom Tisch genommen haben, als sie im Traum das Tak-Phon abgenommen hatte.
    Aber es war kein Traum gewesen, keine Halluzination. Sie hielt den Hörer ans Ohr (der schwarz war und groß genug für ihr Gesicht) und lauschte. Selbstverständlich nichts. Es gab Strom in diesem Haus, nur in diesem einzigen im ganzen Straßenabschnitt - Tak brauchte seinen Fernseher -, aber das Telefon hatte er auch hier gekappt. Audrey stand auf, sah zum Bogen, der ins Erkerzimmer führte, und wußte, was sie sehen würde, sollte sie hineinschauen: Seth in Trance, Tak verschwunden. Aber diesmal nicht in den Film, jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne. Sie hörte verwirrte Schreie und mit ziemlicher Sicherheit einen Schuß von der anderen Straßenseite, und eine Zeile aus dem ersten Buch Mose fiel ihr ein, etwas über den Geist Gottes, der auf dem Wasser schwebt. Der Geist Taks, überlegte sie, schwebte ebenfalls und war emsig mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, und wenn sie jetzt floh, dann würde sie es wahrscheinlich schaffen. Aber wenn sie zu den anderen durchkam und ihnen erzählte, was sie wußte, was konnten sie tun, um der Trugwelt zu entkommen, in der sie gefangen waren? Was würden sie vielleicht Seth antun, um Tak zu entkommen? Er hat mir gesagt, ich soll gehen, dachte sie . Ich sollte ihm besser vertrauen. Aber vorher -
    Vorher mußte sie noch erledigen, was er ihr aufgetragen hatte, erst dann konnte sie gehen. Etwas so Einfaches ... aber es konnte eine Menge Probleme lösen. Alle, wenn sie Glück hatten. Audrey lief hastig in die Küche, ohne auf die Schreie und hektischen Worte von der anderen Straßenseite zu achten. Jetzt, wo sie sich entschieden hatte, wurde sie förmlich überwältigt von einem Gefühl der Eile, diese letzte Aufgabe zu erledigen, bevor Tak ihr wieder seine Aufmerksamkeit zuwandte.
    Oder bevor er wieder Colonel Henry und seine Freunde schickte.
4
    Als es schiefging, geschah es mit atemberaubender Geschwindigkeit. Johnny fragte sich später, wieviel Schuld er selbst daran trug - immer und immer wieder

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