Regulator: Roman
fragte er es sich - und kam nie zu einer klaren Antwort. Er war eindeutig mit den Gedanken anderswo gewesen, freilich schon lange bevor die Kacke richtig am Dampfen war. Er war den Reed-Zwillingen gefolgt, die auf den Weg zu durch den Wald stapften, und hatte seine Gedanken abschweifen lassen, weil sich die Zwillinge so quälend langsam bewegten und versuchten, nicht mit einem einzigen Zweig zu rascheln oder auf einen einzigen Ast zu treten. Niemand hatte die geringste Ahnung, daß sie nicht allein, in dem Grüngürtel waren; als Johnny und die Zwillinge das Wäldchen betraten, schritten Collie und Steve weit vor ihnen schon leise auf dem Weg nach Süden. Johnnys Gedanken kreisten wieder um Bill Harris' entsetzte Reaktion auf die Poplar Street am Tag seines Besuches 1990. Bill hatte Johnny zuerst gesagt, daß das nicht sein Ernst sein könnte, und als er sah, daß es doch so war, hatte er ihn gefragt, was das zu bedeuten habe. Und Johnny Marinville, der die Abenteuer einer Katze aufzeichnete, die Fingerabdrücke untersuchte, hatte geantwortet: Es bedeutet, ich will noch nicht sterben, was wiederum bedeutet, daß ich ein paar Änderungen in meinem persönlichen Manuskript vornehmen muß. Ein revidierter Johnny Marinville, wenn du so willst. Und das kann ich. Weil ich den Wunsch verspüre, und das ist wichtig, und weil ich über das Werkzeug verfüge, und das ist entscheidend.
Man könnte sagen, es ist eine Variante meiner Tätigkeit. Ich schreibe mein Leben um. Lektoriere mein Leben. Terry, seine erste Frau, hatte ihm möglicherweise seine letzte Chance gegeben, obwohl er das nicht zu Bill gesagt hatte. Bill wußte nicht einmal, daß Johnny und die ehemalige Theresa Marinville nach fast fünfzehn Jahren, in denen sie praktisch ausschließlich über Anwälte miteinander verkehrten, wieder einen zaghaften Dialog begonnen hatten, manchmal in Briefen, häufiger am Telefon. Dieser Kontakt hatte sich seit 1988 vertieft, als Johnny Alkohol und Drogen abgeschworen hatte - endgültig, wie er hoffte. Trotzdem war immer noch nicht alles im Lot, und im Frühjahr 1989 hatte er seiner Ex-Frau, die er einmal mit einem Buttermesser zu erstechen versucht hatte, das Geständnis gemacht, daß sein Leben nüchtern so ziel- und sinnlos zu sein schien. Er könne sich nicht vorstellen, sagte er, jemals wieder einen Roman zu schreiben. Das Feuer schien erloschen zu sein, und es fehlte ihm nicht, wenn er morgens ohne das Brennen im Gehirn aufwachte ... zusammen mit dem unvermeidlichen Kater. Diesen Abschnitt schien er hinter sich zu haben. Und er konnte damit leben. Nicht leben konnte er damit, wie sein altes Leben, zu dem auch seine Romane gehörten, immer noch allgegenwärtig war, in den Ecken flüsterte und jedesmal, wenn er sie einschaltete, aus seiner alten IBM murmelte. Ich bin, was du gewesen bist, sagte das Summen zu ihm, und was du immer sein wirst. Es ging nie um dein eigenes Bild von dir, oder auch nur dein Ego, sondern nur darum, was von Anfang an in deinen Genen programmiert war. Lauf zum Ende der Welt, nimm ein Zimmer im letzten Hotel und geh ans Ende des letzten Korridors, und wenn du die letzte Tür aufmachst, die dort ist, werde ich auf dem Tisch stehen, mein altes Summen von mir geben, das du an so vielen verkaterten Vormittagen gehört hast, und eine Dose Coors wird neben deinen Notizen stehen und ein Gramm Koks wird in der linken Schublade sein, denn letztendlich bist du das, und nur das. Wie der eine oder andere weise Mann einmal gesagt hat, es gibt keine Schwerkraft, die Erde zieht dich nur runter. »Du solltest dieses Kinderbuch ausgraben«, hatte sie gesagt und ihn aus seinen düsteren Gedanken gerissen. »Welches Kinderbuch? Ich habe nie —« »Erinnerst du dich nicht an Detektiv Pat Kitty-Cat?« Er brauchte eine Weile, aber dann fiel es ihm wieder ein. »Terry, das war nur eine kle ine Geschichte, die ich mir für den Balg deiner Schwester ausgedacht habe, als er eines nachts keine Ruhe geben wollte und ich dachte, sie würde einen Nervenzusammenbruch be-«
»Sie hat dir so gut gefallen, daß du sie aufgeschrieben hast, oder nicht?«
»Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er, erinnerte sich aber sehr wohl.
»Du weißt es, und du mußt sie irgendwo haben, weil du nie etwas wegwirfst. Analfixierter Mistkerl! Ich habe immer vermutet, daß du deine verdammten Nasenpopel irgendwo aufheben würdest. Vielleicht in einer Sucrets-Schachtel, wie Angelköder.«
»Wahrscheinlich wären sie gute Angelköder«, sagte er,
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