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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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weiter auf dem Weg nach Süden schlurfte. Der Abend war totenstill und schwebte auf einem schwindenden Strahl des Tageslichts. Selbst die Kojoten waren verstummt, jedenfalls vorübergehend.
    Dann spürte Dave, daß die Kraft in den Händen, die seinen Nacken hielten, nachgelassen hatte, und riß sic h aus Brads Griff los. Der Junge interessierte sich jedoch nicht für Johnny. Statt dessen lief er zu seiner Mutter. »Du auch!« schrie er. »Du hast ihn auch getötet!« Sie drehte sich mit schockiertem und fassungslosem Gesicht zu ihm um.
    »Warum hast du uns hierher geschickt, Ma? Warum?« Er riß ihr die Waffe aus den kraftlosen Händen, hielt sie einen Moment vor das Gesicht und warf sie dann in den Wald ... nur war da kein Wald, nicht mehr. Die Veränderungen ringsum waren weiter fortgeschritten, während sie sich miteinander beschäftigt hatten, und nun standen sie in einem stacheligen, fremdartigen Wald aus Kakteen. Sogar der Geruch des brennenden Hauses hatte sich verändert; jetzt roch es nach brennenden Mesquitesträuchern oder vielleicht Salbei. »Dave ... Davey, ich ...«
    Sie verstummte und sah ihn nur an. Er erwiderte ihren Blick, ebenso blaß, ebenso erschöpft. Brad mußte daran danken, daß der Junge vor kurzem noch in seinem Vorgarten gestanden und ein Frisbee geworfen hatte. Daves Gesicht bekam einen verzerrten Ausdruck. Er zog die Mundwinkel nach unten und öffnete den zitternden Mund. Funkelnde Speichelfäden spannten sich zwischen seinen Lippen. Er fing an zu wimmern. Seine Mutter legte die Arme um ihn und wiegte ihn. »Nein, schon gut«, sagte sie. Ihre eigenen Augen glichen glatten, dunklen Steinen in einem trockenen Flußbett. »Nein, schon gut. Nein, Liebes, schon gut. Mom ist hier und alles ist gut.«
    Johnny trat wieder auf den Weg. Er warf einen kurzen Blick auf das tote Tier, das mittlerweile schimmerte wie etwas, das man durch Hitzeflimmern sieht und ganze Sturzbäche einer zähen rosa Flüssigkeit absonderte. Dann sah er Cammie und ihren verbliebenen Sohn an. »Cammie«, sagte er. »Mrs. Reed. Ich habe Jim nicht erschossen. Ich schwöre es. Es hat sich folgendermaßen abgespielt-«
    »Seien Sie still«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Dave war fünfzehn Zentimeter größer als seine Mutter und mußte siebzig Pfund schwerer sein, aber sie wiegte ihn so mühelos wie sie es früher getan haben mußte, als er acht Monate alt war und Koliken hatte. »Ich will nicht hören, was passiert ist. Mir ist egal, was passiert ist. Gehen wir einfach zurück. Möchtest du zurückgehen, David?« Weinend und ohne aufzuschauen nickte er an ihrer Schulter.
    Sie richtete den Blick ihrer schrecklichen trockenen Augen auf Brad. »Bringen Sie meinen anderen Jungen mit. Wir lassen ihn nicht hier draußen bei diesem Ding.« Sie sah kurz zu dem dampfenden, stinkenden Kadaver des Berglöwen, dann zu Brad. »Bringen Sie ihn mit, haben Sie verstanden?« »Ja,Ma'am«, sagte Brad. »Voll und ganz.«
7
    Tom Billingsley stand an der Küchentür, sah in die zunehmende Düsternis hinaus zu seiner offenen Gartentür und versuchte, einen Sinn in den Stimmen und Geräuschen zu erkennen, die er von der anderen Seite hörte. Als ihm Finger auf die Schulter tippten, bekam er fast einen Herzanfall. Früher wäre er anmutig herumgewirbelt und hätte dem Eindringling mit der Faust oder dem Ellbogen ein Ding verpaßt, ehe beide begriffen hätten, was los war, aber der schlanke und behende junge Mann von damals existierte längst nicht mehr. Er schlug um sich, aber die rothaarige Frau in blauen Shorts und einer ärmellosen Bluse hatte ausreichend Zeit, einen Schritt zurückzuweichen, und Toms arthritisgeplagte Knöchel schlugen widerstandslos durch dünne Luft. »Herrgott, Weib!« brüllte er.
    »Tut mir leid.« Audreys sonst hübsches Gesicht wirkte hager. Auf der linken Wange hatte sie einen bandförmigen Bluterguß, ihre Nase war geschwollen, die Nasenlöcher von trockenem Blut verkrustet. »Ich wollte etwas sagen, dachte mir aber, das hätte Sie noch mehr erschreckt.« »Was ist mit Ihnen passiert, Aud?« »Spielt keine Rolle. Wo sind die anderen?« »Einige im Wald, einige nebenan. Es -« Ein schwankendes Heulen ertönte. Das rote Licht des Abends war erloschen, zurück blieb nur die Asche eines Orangerot. »Hört sich nicht gut an für alle, die da draußen sind. Eine Menge Schreie.« Dann fiel ihm etwas ein. »Wo ist Gary?« Sie trat beiseite und zeigte mit dem Finger auf ihn. Er lag in der Tür zwischen Küche und Wohnzimmer.

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