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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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passiert sei. Belegte Stimmen. Manche schaffen es nicht einmal mehr, von ihren Stühlen hochzukommen, und begnügen sich damit, verblüfft den Kopf zu schütteln.
    Ich höre: »Was haben die denn bloß für Ideen!« Ich höre: »Scheiße, das fehlte uns gerade noch.« Ich höre: »Wir müssen die Feuerwehr anrufen, oder? Ist das nicht deren Job?«
    Roger kommt zurück und schnappt sich das Telefon. Während er darauf wartet, daß ein Feuer wehrmann aufwacht, starrt er mich durch- dringend an. Meine Mutter stellt sich neben mich, und da wird er etwas entspannter. Ich glaube nicht, daß sie bereit ist, ihm noch mehr zuzugestehen – ihr Kno ten ist halb aufgelöst, und ich spüre, daß sie ganz weich und schweißnaß ist –, falls er sich mit mir anlegen sollte. Das hat er offensichtlich kapiert.
    Schließlich brechen wir zu fünft oder zu sechst auf, nachdem wir in der Garage zwei Taschenlam pen und ein paar Leuchtraketen gefunden haben, die für den 14. Juli bestimmt waren und uns dazu dienen könnten, ein bißchen Licht in das Dunkel über dem Meer zu bringen. Roger überredet die Frauen, dazubleiben und die nötigen Telefongespräche zu führen, anstatt sich am Strand bei einer Aktion, deren Nutzen fragwürdig sei, zu erkälten oder gar den Tod zu holen. Roger und ich steigen vorn ein, die anderen zwängen sich nörgelnd auf die Rückbank. Bevor er den Motor anläßt, wirft er mir noch einen bösen Blick zu. Dann fährt er los.
    »Blagen sind eine große Verantwortung«, erklärt er mit einem gehässigen Lächeln. »Eine verdammt große Verantwortung, meinst du nicht?«
    Doch ich habe nicht die geringste Lust, mit so einem Typen zu diskutieren. Allein an dem Ton, den er anschlägt, und an seiner Art, mich ständig herauszufordern, läßt sich ersehen, daß die Sache zwischen meiner Mutter und ihm schon weit gediehen ist, ich verfluche sie innerlich und könnte sie erwürgen.
    Roger stellt den Wagen vor einer Strandbar mit herabgelassenen Gittern ab, die bis zum Frühling geschlossen ist. Wir springen aus dem Auto und laufen über den Sand. Ich führe sie an die Stelle, an der Cecilias Kleider auf einem Haufen liegen, während sich einer von den Typen über einen Busch beugt, um sich zu übergeben, und uns dabei mit einem Handzeichen zu verstehen gibt, daß alles in Ordnung sei. Dann gehen wir auf das Meer zu, und Roger brüllt ihren Namen, wobei er die Hände trichterförmig an den Mund legt, und auch wir fangen damit an, brüllen alle ihren Namen in die Finsternis, als ständen wir vor einer schwarzen Wand.
    »Ich weiß, wo wir ein Boot auftreiben können«, meint Roger plötzlich. »Wir brauchen ein Boot.«
    Wir folgen ihm zum Auto, er nimmt die Kurbel des Wagenhebers, und dann rennen wir, so schnell wir können, an den Häusern entlang, die die Küstenstraße säumen, während zwei von den Typen beim Auto bleiben und sich um die Leuchtraketen kümmern.
    Genau in dem Augenblick, als Roger es geschafft hat, das Vorhängeschloß zu knacken, explodiert eins von den Dingern und erhellt den Himmel wie ein mit Feuergarben befiederter Pfeil. Wir drehen uns um und betrachten das Meer, doch es ist leer. Roger schiebt das Eisengitter hoch. Das Boot, von dem er gesprochen hat, ist nur ein kleines Ruder boot. Roger und ich drehen es um, stemmen es auf die Schultern und gehen dann an den Strand zu rück.
    Unsere beiden Feuerwerker beleuchten wie besessen den Himmel mit pfeifenden Blitzen – sie ha ben das Problem der Zündung mit Hilfe einer Zi garre gelöst und sind sehr zufrieden damit–, aber das Meer bleibt leer und spiegelglatt, so daß wir nicht wissen, was wir tun sollen. Der Typ, der sich übergeben hat, ist bleich wie ein Gespenst. Und was den Rest der Truppe angeht, habe ich noch nie so beknackte Typen gesehen.
    Roger zerrt mich hinter sich ins Boot und läßt mir keine andere Wahl. Er ruft den anderen zu, sie sollen am Strand patrouillieren.
    »So, und jetzt nimmst du die Ruder«, sagt er zu mir. »Komm, nimm diese verdammten Ruder.«
    Der Wind zerzaust sein Haar und läßt eine lan ge Strähne, die ihm normalerweise an der Stirn klebt, wie einen Scheuerlappen durch die Luft flattern, so daß seine Glatze sichtbar wird. Aber das scheint ihn nicht zu stören. Es scheint ihm scheiß egal zu sein, was ich darüber denken mag, ich mit meiner tierischen Matte, denn jetzt sind wir nur noch zu zweit, und solche Dinge zählen nicht mehr.
    »Bist du ein Mann oder nicht«, fügt er hin- zu und richtet den Strahl der

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