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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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ist, um mich zu erreichen. Kaum ist es wieder unten, bin ich schon aufgesprungen und schwenke ein Ruder in der Hand.
    »Na los«, sagt er. »Versuch's doch.«
    Aber ich bin nicht wütend genug, um ihm den Schädel einzuschlagen. Ich habe Olgas Hund ei nes Abends den Schädel zertrümmert, als er ver rückt geworden war und mir an die Kehle springen wollte, und daher weiß ich, wie das endet, das ist nicht gerade ein erhebender Anblick. Und so setze ich mich wieder.
    »Gar nicht so leicht, sich damit abzufinden, hm, du Arsch!« versetzt er mit einem höhnischen Lachen. »Das paßt dir gar nicht, stimmt's? Du weißt, wovon ich spreche, du Arsch, hm?«
    Ich spüre einen bleiernen Druck im Magen. Wir nähern uns dem Ufe r, und ich kann jetzt die ande ren erkennen, sehe ihre dunklen S il houetten, die durch den Sand wanken, als habe man sie aus einer Waschmaschine gezogen, während ich gekrümmt auf meinem Sitz hocke und Roger mich selbstzu frieden und mit höhnischem Grinsen im Auge be hält. Wäre er mir damit gekommen, als ich das Ruder über seinem Kopf durch die Luft schwang, die Sache hätte blutig geendet. Dann hätte mich meine Mutter bald im Knast besuchen können.
    Er versucht mich zu packen, als ich aus dem Boot ins eiskalte wadentiefe Wasser springe.
    Ich betrachte seinen Mund, während er zu mir sagt: »Na, wie war's?« Ich sehe eine widerliche elastische Materie, die sich nach allen Seiten hin biegt, eine Art lebendigen Schlauch, eine Vision, die eines starken Halluzinogenrausches würdig wäre, und so verharre ich wie erstarrt, völlig entgeistert. Er packt mich am Ärmel. Ich schüttle ihn ab. Die anderen vermelden, daß Cecilia nach Hause zurückgekehrt sei. Aber er hört nicht zu, sondern starrt mich nur unverwandt an, wobei ihm die lange Haarsträhne ins Gesicht hängt. »Glaub ja nicht, mich für dumm verkaufen zu können«, fügt er hinzu.
    Als wir ankommen, verstummen alle. Cecilia steht mit noch nassem Haar stocksteif im gedämpften Licht des Raums.
    Auf der Rückfahrt hatte Roger die Zähne zusammengebissen, und ich legte meinen Sicherheitsgurt an, während er alles daran setzte, um uns von der Fahrbahn abzubringen, indem er mit Vollgas die Kurven nahm oder den Bürgersteig rammte. Es war zwei Uhr morgens, keine Menschenseele weit und breit, die Reifen quietschten, weder in den Häusern noch in den Vorgärten hinter den im Wind wogen den Hecken war jemand zu sehen, und die Typen auf dem Rücksitz witzelten über Cecilia, die blau verfroren aus dem Wasser gekommen war, über ihren kleinen Hintern, ihre zitternden kleinen Brüste und ihren kleinen Frauenkörper, der zwar starr vor Käl te, aber ansonsten bemerkenswert war, echt super.
    Roger geht schnurstracks auf sie zu. »Es ist alles in Ordnung, Kinder, alles in Ordnung«, sagt Olga, die wieder einmal ihre Schuhe nicht findet und den Schwächsten in Schutz nimmt, wie sie es immer tut, vor allem, wenn es sich dabei um eine Frau handelt – wie sie es früher auch mit mir getan hat, wenn sich meine Eltern im Nebenzimmer stritten und ich bei ihr Zuflucht suchte. Meine Mutter beißt sich auf die Lippen. Jemand hält Roger ein Glas hin, aber er beachtet es nicht. Er reagiert auch nicht, als eine Frau behauptet, man müsse Cecilia mit Kölnisch Wasser abreiben.
    Wortlos geht er auf Cecilia zu und packt sie fest am Arm. Wortlos versucht sie sich zu befreien, aber er zerrt sie mit sich zur Treppe. Eine Szene, wie man sie schon hundertmal gesehen hat.
    »Das müssen die beiden selbst miteinander ausmachen«, erklärt ein Typ mit ergrauten Schläfen, während Roger Cecilia fast den Arm ausreißt, um sie in den ersten Stock zu zerren. »Glaubt mir, da mischen wir uns besser nicht ein, das weiß ich aus Erfahrung.«
    »Setzen Sie sich«, sage ich zu ihm. »Das glaube ich nicht. Setzen Sie sich.«
    Obwohl sie sich mit aller Kraft sträubt und wie ein Esel bockt, gelingt es Roger, sie in ihr Zimmer zu schieben und mit ihr darin zu verschwinden. Alle spitzen die Ohren. Ich versuche den Blick meiner Mutter zu erhaschen, aber sie senkt die Augen.
    Beunruhigt rufe ich mit lauter Stimme: »He, was ist denn da oben los?« Ich wende mich den anderen zu und sage: »Sollen wir nicht nachsehen?«
    »Was willst du da nachsehen?« erwidert eine fürchterlich geliftete, in ein zu enges Straßkleid ein geschnürte, ziemlich fette Frau und schiebt dabei den Träger ihres Büstenhalters hoch, der ihr auf den Arm gerutscht ist, aber sie wartet meine Antwort nicht ab und wendet

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