Reich der Schatten
viele Männer ins Café. Ich sitze nicht Tag und Nacht da und beobachte sie. Ich würde es ja gerne, aber ich habe zu viel zu tun.« Paul blickte sehnsüchtig auf die Tür und wünschte sich, er wäre nicht so leichtgläubig mitgegangen.
»Denk nach, erzähl uns von den Männern.«
»Na ja – es kommen immer wieder ein paar Polizisten vorbei«, sagte Paul. »Und gelegentlich auch Studenten, aber mit denen lässt sie sich seltener ein. Sie trifft sich lieber mit Männern, die … die …«
»Geld haben?«, schlug der zweite Mann vor.
Paul ließ den Kopf hängen. »Ja, natürlich. Männer, die ihr Geschenke kaufen.«
»Hast du denn in letzter Zeit jemanden im Café gesehen, der wohlhabend schien?«
Paul starrte den Mann an, der mit ihm sprach, dann deutete er nervös auf ihn. »Sie waren dort. Sie … Sie sind angeblich ein Arbeiter. Aber Sie sehen aus, als ob Sie Geld hätten.«
»Mit mir ist sie nicht weggegangen.«
Paul runzelte die Stirn. »Es war auch noch ein anderer Mann da, den ich oft gesehen habe, groß, blond, stattlich. Ich weiß nicht, was er von Beruf ist. Vielleicht habe ich ihn auch auf der Wache gesehen. Aber es waren alle möglichen Leute dort und haben sich verängstigt erkundigt, was die Polizei zu tun gedenke.«
»Ein großer Blonder?« Der dunkelhaarige Mann blickte zu dem mit den helleren Haaren. »Kennst du ihn?«
»Möglicherweise«, erwiderte der. »Ja, möglicherweise kenne ich ihn.«
»Paul, hättest du gern ein Glas Wasser, noch etwas Wein oder einen Kaffee?«, fragte die Frau.
»Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen.«
»Nein, nein, du musst noch ein Weilchen bleiben«, widersprach sie sanft.
Paul hatte Angst.
Tara fuhr so rasch wie möglich zurück zum Château. Sie stürmte ins Haus und rief nach Katia.
Die starrte sie nur verständnislos an, als sie ihr erklärte, dass sie ein paar Sachen einpacken solle, dass sie in ein Hotel ziehen müssten.
»Die Polizei kommt bald mit den nötigen Papieren, um Jacques zu verhören«, sagte Tara.
Inzwischen war ihr Großvater aus seiner Bibliothek gekommen. »Na und? Dann kommen sie eben und verhören mich«, meinte er gelassen.
»Du hörst mir einfach nicht richtig zu, Großpapa«, entgegnete Tara aufgebracht. »Sie glauben, dass du etwas mit den Morden zu tun hast. Und wenn du ihnen erzählst, dass sich dort draußen Vampire herumtreiben, dann … dann …«
»Dann werden sie mich in eine Irrenanstalt stecken?«, fragte Jacques.
»Genau!«
»Nein, nein, mach dir keine Sorgen, Tara. Sie werden kommen und mit mir reden, aber ich werde nicht über die Allianz oder die Vampire sprechen, und ich werde ihnen klarmachen, dass ich keine Mörder gedungen habe. Und da das der Wahrheit entspricht, werden sie nichts gegen mich vorbringen und mir auch nichts anhaben können.«
»Aber Jacques, sei doch vernünftig! Wir gehen einfach für ein paar Tage in ein Hotel, dort kann uns nichts passieren.«
Er schüttelte den Kopf. Tara hätte ihn am liebsten angeschrien, dass er ein sturer alter Mann sei.
»Tara, in diesem Haus sind all meine Bücher. Wir sind hier sicher, dafür hat Katia gesorgt«, meinte er.
»Großpapa …«
»Tara«, fiel er ihr ins Wort, »ich bleibe hier.« Sein Entschluss stand fest. »Katia, wir achten darauf, dass alle Fenster und Türen fest verschlossen sind, n’est-ce pas? «
»Mais oui«, versicherte Katia.
»Großpapa, die Polizisten kannst du mit Knoblauch nicht abschrecken«, meinte Tara.
Er zuckte mit den Schultern. »Manche Vampire mögen ihn sogar – vor allem die Italiener«, erklärte er lächelnd. »Tara, das sollte ein Witz sein. Lächle doch ein bisschen, lach einfach mal!«
»Mir ist nicht danach zumute.«
»Ich bin hervorragend gerüstet, Pfähle, Kreuze – viele Kreuze – und Weihwasser.«
»Richtig. Aber wenn die italienischen Vampire nichts gegen Knoblauch haben, dann haben die hinduistischen, die moslemischen und die jüdischen Vampire vielleicht auch nichts gegen das Weihwasser?«
»Aha, endlich nimmst auch du es ein bisschen mit Humor«, stellte Jacques fest.
»Du hast mich nicht verstanden, Jacques. Die Polizei will herkommen.«
»Dann lass sie kommen. Und du, junge Dame, solltest dich ein wenig hinlegen. Sieh dich mal an! Du schaust richtig verhärmt aus und hast Augenringe. Offen gestanden siehst du ausgesprochen schlecht aus, mein liebes Kind!«
Tara verzog das Gesicht. »Mir fehlt nichts.«
»Du bist völlig übermüdet, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Ann
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