Reich der Schatten
Javet ist überzeugt, dass Ihr Großvater etwas über den Mord in der Grabkammer weiß.«
»Hm – und Sie glauben, dass mein alter, gebrechlicher Großvater auch eine Leiche geköpft und in den Fluss geworfen haben könnte?«
»Miss Adair, ich habe über Ihren Großvater viel gelesen. Ich glaube nicht, dass er etwas Derartiges getan hat – aber ich bin nicht Javet. Natürlich habe ich mir vorgenommen, dafür zu sorgen, dass Monsieur DeVant nicht allzu streng verhört wird. Mir ist klar, dass er alt und nicht mehr bei bester Gesundheit ist.«
»Nun, ich bin froh, dass Sie ihn so behutsam wie möglich befragen wollen«, murmelte Tara. Sie wollte jetzt nur noch weg und ein Hotelzimmer finden, um ihren Großvater aus dem Haus zu schaffen.
»Ja, natürlich. Sie freuen sich also, dass ich Javet begleite?«
»Selbstverständlich.«
Trusseau lächelte. »Dann sehen wir uns bald im Château, Miss Adair.«
»Bestimmt«, entgegnete sie leise. »Aber jetzt muss ich leider gehen, ich habe noch einiges zu erledigen.«
»Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht aufhalten. Hat mich gefreut, Sie zu treffen.«
»Ganz meinerseits. Au revoir.«
Tara eilte zu ihrem Auto. Unterwegs klingelte plötzlich das Handy. Sie wühlte in ihrer Handtasche nach dem verfluchten Ding, während es klingelte und klingelte.
Louisa schlief unruhig, und als sie aufwachte, war sie schlechter Laune. Eigentlich hätte sie neue Kräfte schöpfen sollen, Kräfte, die sie diesmal wahrhaftig brauchte.
»Was ist los, meine Liebe?«, fragte er. Er ließ sie nie sehr lang allein. Natürlich hatte er tagsüber viel zu tun, denn er vertraute niemandem und kämpfte gegen die, deren Geist ihm verschlossen war. Aber er kehrte stets zu ihr zurück.
Sie wandte sich ihm zu und seufzte, als sie in seiner Umarmung ein wenig Trost fand. »Wahrscheinlich ist es dieser Ort.«
»Dieser Ort ist sicher«, erklärte er fest.
»Ach, aber es gibt so viele andere Orte auf der Welt oder in Paris, wo ich leben möchte.«
»Alles zu seiner Zeit!«
»Alles zu seiner Zeit … Du hast wohl vergessen, wer ich bin.«
»Und du hast vergessen, dass die Welt groß und gefährlich ist.«
»Ich habe die Macht, meine Umgebung zu beherrschen«, erwiderte sie störrisch und fordernd zugleich.
»Alles zu seiner Zeit«, wiederholte er. »Wenn unsere Gegner aus dem Weg geräumt sind.«
Sie entzog sich ihm. »Du hättest sie schon längst vernichten sollen.«
»Louisa, das konnte ich nicht. Ich wollte vor deinem Erwachen keine Unruhe aufkommen lassen. Heute gibt es viele Kräfte, die du nicht kennst.«
»Mächtiger als die eines Königs?«, fragte sie spöttisch, um ihm seine Schwäche unter die Nase zu reiben.
Er seufzte. »Heute ist die Bevölkerung viel größer.«
»Größer und dümmer.«
»Viele sind unwissend, aber nicht dumm.«
»Ich habe Hunger.«
»Sehr bald wirst du dich an unseren Feinden satt trinken können. Das wird dir auch die gewünschte Stärke verschaffen und die Freiheit, nach der du dich so sehnst.«
»Ich habe Hunger«, wiederholte sie störrisch.
»Ich habe eine herrliche Beute für dich im Visier.«
»Die hast du mir schon früher versprochen.«
»Die Zeit war noch nicht reif.«
»Nein, du warst nicht stark genug, sie herzulocken. Entweder das, oder du bist mehr an dem Mädchen interessiert, als du vorgibst.«
»Es gibt keine außer dir, und es hat nie eine andere gegeben. Jahrelang habe ich mich nach dir verzehrt.«
Sie lachte leise. »Du hast dich nie nach jemandem verzehrt. Du hast dir immer genommen, wonach dir gelüstete.«
»Während ich auf dich gewartet habe«, beteuerte er.
Sie streckte die Hand nach ihm aus – elegante Perfektion, reine Sinnlichkeit. Warum sich nicht ein klein wenig Ablenkung gönnen? Doch nachdem sie ihn fast wahnsinnig gemacht hatte, flüsterte sie ihm ins Ohr: »Heute Nacht will ich sie haben. Und ich will, dass es ein Ende hat. Wenn du sie nicht herbringst oder es nicht tun kannst, dann kümmere ich mich selbst darum!«
»Ich bringe sie her!«, fauchte er.
Und endlich gab sie sich ihm hin.
In dem alten Kamin im Raum über ihnen erwachte das Feuer zu neuem Leben und loderte bald lichterloh, während sie sich im Liebeswahn verzehrten.
»Du musst uns alles sagen, alles, was du weißt«, verlangte der große Mann von Paul.
Man hatte ihn in ein elegantes Appartement in die Stadt gebracht. Wein und etwas zu essen standen vor ihm, doch er war viel zu nervös, um auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen.
»Es kommen
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