Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
Vom Netzwerk:
schläft noch immer.«
    »Sie schläft noch immer?«
    »Ja, und du solltest auch noch mal ins Bett.«
    »Ich sehe noch kurz nach Ann«, meinte Tara. Dann starrte sie von Jacques zu Katia. »Jetzt hört mir mal gut zu, ihr zwei, denn wenn ihr … wenn ihr das nicht tut, dann erwürge ich euch eigenhändig: Wenn die Polizei kommt, müsst ihr mich holen, bevor ihr die Tür aufmacht. Habt ihr mich verstanden?«
    Jacques seufzte, verärgert darüber, dass sie ihn wie ein klei-nes Kind behandelte, aber dann meinte er: »Na klar, ich verspreche dir, dass wir die Tür nicht ohne dich öffnen. Aber jetzt setze ich mich wieder an die Arbeit. Ich kann dich nicht zwingen, dich auszuruhen, aber es ist wichtig, dass du ausreichend Schlaf bekommst, dann bist du umso wacher und aufmerksamer.«
    »Ich sehe noch mal nach Ann«, war alles, was sie darauf erwidern konnte.
    Er zuckte mit den Schultern und kehrte in seine Bibliothek zurück.
    Katia betrachtete sie stirnrunzelnd. »Hättest du gerne ein Glas warme Milch?«
    »Nein!«, entgegnete Tara schroff, doch dann fügte sie besänftigend hinzu: »Nein, aber vielen Dank für das Angebot.«
    Katia machte sich auf den Weg in die Küche. Tara ging ins Obergeschoss, um nach ihrer Cousine zu sehen.
    Ann schlief noch immer fest. Sie wirkte etwas blass, aber ihr Atem ging tief und regelmäßig.
    Die Balkontüren waren geschlossen, und es hingen auch mehrere Knoblauchzöpfe davor.
    Tara schloss leise die Tür und ging in ihr Zimmer.
    Sie hatte Lust zu malen. Erst sah sie sich die Skizzen an, die sie in letzter Zeit angefertigt hatte, dann machte sie sich daran, eine neue zu entwerfen. Anfangs wusste sie gar nicht, was da am Entstehen war, bis sie merkte, dass sie das Gesicht eines Mannes skizzierte. Sie hatte es schon einmal gezeichnet, und als sie jetzt ein paar Licht- und Schattenpunkte hinzufügte, begann es sehr real auszusehen. Sie wusste, warum sie ihn zeichnete. Sie kannte ihn allmählich nur allzu gut.
    Schließlich legte sie den Stift beiseite und gähnte. Jacques hatte recht gehabt, wie sie sich nun eingestehen musste – sie war tatsächlich sehr müde. Vielleicht blieb noch etwas Zeit, bis Javet und Trusseau eintrafen.
    Sobald sie sich auf ihrem Bett ausgestreckt hatte, fielen ihr die Augen zu, und im Nu war sie schon am Einschlummern.
    Und sie war wieder dort … an jenem Ort, tief im Wald. Diesmal folgte ihr jemand, sie konnte seine Schritte deutlich hören. Doch jedes Mal, wenn sie stehen blieb und sich umsah, konnte sie nur Schatten ausmachen, leise Schatten, die sich wie Flügel bewegten und zu flüstern schienen. Schatten, die sich ständig verdüsterten und veränderten.
    Sie wusste, dass das alte Haus vor ihr lag. Also lief sie weiter, bis sie abermals ein leises Geräusch hörte, eine geflüsterte Bewegung. Diesmal blieb sie stehen, ohne sich umzudrehen. Hinter ihr lauerte Gefahr, sie war wie heißer Atem in ihrem Nacken zu spüren. Eine Warnung. Ganz nah, so nah wie die Schatten, die sich vor ihr wie hinter ihr erstreckten.
    Sie rannte auf das Haus zu. Als sie die Tür fast erreicht hatte, wurde das Flüstern immer verständlicher.
    Fast da, du bist fast da. Ich habe dir gesagt, dass ich sie habe, und ich werde sie haben, komm, ja, komm her, komm zur Tür, komm zu mir, ich warte …
    Der Schatten wurde länger und breiter, gleich würde er sie umfangen, sie völlig umhüllen, sie verschlingen …
    Wach auf, wach auf!, befahl sie sich mitten in diesem Traum.
    Sie hatte nicht geschrien, und sie hatte sich auch nicht bewegt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ohne etwas zu sehen. Sie blinzelte, dann richtete sie sich kerzengerade auf.
    Ann!
    Sie sprang aus dem Bett und rannte in Anns Zimmer. Hatte sie nun den Verstand verloren? Ihr Herz raste. Ja, sie war schlicht verrückt, Ann lag doch bestimmt in ihrem Bett und schlief. Die Balkontüren waren verschlossen, und davor hing reichlich Knoblauch, sie hatte das vor Kurzem noch selbst überprüft.
    Heftig stieß sie die Tür auf.
    Die Tür fiel von selbst wieder zu. Ein starker, eisiger Wind wehte durch die weit geöffneten Balkontüren.
    Der Knoblauch lag in einer Ecke.
    Tara stemmte sich gegen die Tür und betrat den Raum. Ihr besorgter Blick flog auf das Bett, in dem sie Ann schlafend wähnte.
    Ihre Cousine lag darin, aber auch ein Mann.
    Ein großer, blonder Mann.
    Er beugte sich über ihre Cousine, befingerte sie …
    Er strich Ann eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Er streichelte ihren Hals, beugte den Kopf zu ihr

Weitere Kostenlose Bücher