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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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er einem Fremden Vertrauen schenkte. Vielleicht beschritt er nun denselben Weg, den Yvette gegangen war. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, er liebte Yvette. Er liebte sie mehr als sich selbst und mehr als sein Leben, egal, wie kaltherzig sie mit seinen Gefühlen gespielt hatte.
    Und deshalb ging er mit dem Mann und beantwortete all seine Fragen. Sie unterhielten sich über die Männer, die Yvette im Café aufzugabeln pflegte.
    »Sie ist nicht schlecht«, verteidigte er sie, um ja nicht den Gedanken aufkommen zu lassen, sie hätte mit ihrer losen Moral das Schicksal herausgefordert. »Sie müssen das verstehen, viele in unserem Dorf fahren tagtäglich zur Arbeit nach Paris; seit die Stadt immer größer wird und der Baugrund immer teurer, sind viele Familien hierher gezogen. Aber es gibt auch solche, die hier geboren sind, und manche von ihnen würden gerne fliehen, haben aber vielleicht nicht die nötige Ausbildung, um in Paris eine gute Stelle zu finden. Diese Leute kennen kaum mehr als die nähere Umgebung, die Felder und die Tiere auf den Weiden, und sie … sie wollen einfach mehr. So geht es Yvette – sie möchte gern über unserem kleinen Dorf schweben, aber sie hat keine Flügel, und deshalb … deshalb …«
    Der Mann beobachtete ihn. Paul konnte nicht sagen, ob ein kleines Grinsen die Lippen des Burschen umspielte, ob er belustigt war oder ob er verstanden hatte, was Paul ihm zu erklären versuchte.
    Eine Hand legte sich auf seinen Arm.
    »Wir werden Yvette finden.«
    Sie fuhren immer weiter. Paul war hier aufgewachsen, er war als Kind auf den Feldern herumgestreunt und kannte sämtliche Ecken und Winkel, aber diese Wege kannte er nicht. Das Auto holperte über Gras und über Wurzeln, über Stock und Stein.
    Und schließlich blieben sie stehen.
    Sie betraten ein Haus, das früher einmal sehr prachtvoll gewesen sein musste. Noch heute hatte es seine Reize. Doch es war auch sehr düster, als würden seine Bewohner das Tageslicht und die Sonne scheuen.
    »Komm mit, Paul. Wir wollen gern wissen, was du weißt. Wir wollen alles erfahren, was es über dich und über deine Yvette und ihre Freunde zu wissen gibt.«
    An der Schwelle zögerte er. Doch dann überquerte er sie und traf diejenigen, die schon auf ihn warteten.
    Tara fuhr ins Dorf. Obwohl sie nicht damit rechnete, Brent dort zu treffen, stellte sie den Wagen in der Nähe des Cafés ab, suchte sich einen Tisch und bestellte einen Café au Lait.
    Sie holte sich eine Zeitung und breitete sie vor sich aus. Doch sie las nicht wirklich, sie versuchte nur zu verheimlichen, dass sie alles um sich herum genauestens beobachtete.
    Aber es passierte nicht sehr viel.
    Im Café war wenig los. Die Bedienungen standen beieinander und unterhielten sich leise. Als sie eine zweite Tasse Kaffee bestellte, verschüttete der Kellner etwas, als er die Tasse vor ihr abstellte. Er entschuldigte sich, doch sie versicherte ihm eilig, dass das in Ordnung sei. Als er reumütig lächelte, überlegte sie, ob sie ihn vielleicht in ein Gespräch verwickeln könnte.
    »Mir scheint, dass hier heute alle … nicht so ganz bei der Sache sind«, meinte sie.
    Er war schlank, Mitte zwanzig und hatte den Schädel fast kahl rasiert, was zu seinem markanten Gesicht und den sehr dunklen Augen ausgezeichnet passte.
    Zögernd deutete er auf die Zeitung. »Solche Dinge passieren hier normalerweise nicht.« Er beugte sich vor, um den verschütteten Kaffee aufzuwischen. »Und jetzt ist auch noch eine von unseren Bedienungen verschwunden. Monsieur François, der Besitzer, musste heute Morgen in die Gerichtsmedizin, um die Leiche zu identifizieren, aber Gott sei Dank war es nicht Yvette. Wir leben hier in einem kleinen Dorf, da ist es beängstigend, wenn Leute verschwinden und Leichen auftauchen. Bei dem Burschen von der Ausgrabung war es etwas anderes. Wir glaubten zunächst alle, dass er umgebracht wurde, weil jemand auf den Schatz im Grab scharf war. Doch jetzt sind Leute verschwunden, und es ist noch eine Leiche entdeckt worden. Solche Dinge hat es hier seit Hunderten von Jahren nicht mehr gegeben! Deshalb haben wir natürlich Angst. Aber«, beeilte er sich hinzuzufügen, »Sie haben nichts zu befürchten. Wir sind hier in einem Café, in aller Öffentlichkeit, am helllichten Tag, und das Polizeirevier liegt ganz in der Nähe.«
    Er wollte sie wohl trösten, denn für jemand, der vom Geld der Touristen abhing, hatte er viel mehr gesagt, als er hätte sagen dürfen. Doch er hatte Tara keine Angst

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