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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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konzentrierte sich gerade wieder auf die gegenüberliegende Straßenseite, als plötzlich etwas vor ihr auf den Tisch fiel und ihre Kaffeetasse erklirren ließ. Sie zuckte zusammen und hätte fast laut aufgeschrien. Als sie hochblickte, bemerkte sie den Arbeiter von gestern Abend. Sofort strömte eine Hitzewelle durch ihren Körper. Verwundert fragte sie sich, wie es nur möglich war, dass sie nicht mitbekommen hatte, wie er hinter sie getreten war, und dass sie seine Anwesenheit jetzt so überdeutlich wahrnahm.
    Und dann sah sie auch, was auf dem Tisch gelandet war: ihre Handtasche.
    Er nahm sich den Stuhl neben ihr, bevor er fragte: »Darf ich mich zu Ihnen gesellen?«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten setzte er sich. Ihr Blick wanderte von der Handtasche zu ihm. »Wie sind Sie denn daran gekommen? Ich dachte, Sie wollten direkt zur Polizei.«
    »Das bin ich auch. Ich hatte die Tasche gefunden, aber vergessen, sie Ihnen zu geben.«
    Sie beäugte ihn misstrauisch. Auch er trug eine dunkle Brille. Wenn er nichts gesagt hätte, hätte sie ihn vielleicht gar nicht erkannt. Er war frisch rasiert und offenbar auch frisch geduscht. Sein Aftershave duftete nicht sehr stark, doch angenehm würzig und verführerisch. Heute steckte er in einer hellen Freizeithose und einem dunklen Hemd. Sein Haar trug er lose, aber es war nicht so lang, wie sie gedacht hatte; es ging bis knapp über den Kragen. Er war gebräunt und wirkte sehr entspannt. Doch auch heute hatte Tara wieder den Eindruck, dass er über große körperliche Kraft und Geschmeidigkeit verfügte. Sie fragte sich, ob er regelmäßig eine Kampfsportart, womöglich sogar das Fechten trainierte. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich sehr von ihm angezogen fühlte, doch gleichzeitig gingen eine Million Warnlampen in ihr an. Irgendwie wirkte er eher wie ein Doktorand oder ein Lehrer im Urlaub und nicht wie ein Börsenmakler. Auf alle Fälle war er heute sehr sauber und adrett und weit mehr als nur präsentabel. Ein langhaariger Manager im Urlaub.
    Langhaarige Manager schufteten nicht für einen Hungerlohn in uralten Ausgrabungsstellen.
    Offenbar hielt auch der Kellner ihn für einen nicht unbedeutenden Gast, denn er eilte herbei, sobald der Amerikaner sich niedergelassen hatte. »Café au lait, s’il vous plaît«, sagte er mit einem breiten, ungezwungenen Lächeln. Ja, er war zweifellos Amerikaner, aber sein Französisch klang weitaus besser als das von Tara. Sie entdeckte nicht die Spur des üblichen gutturalen Akzents, den englische oder deutsche Muttersprachler nur selten loswerden.
    »Ich kann mich nicht erinnern, Ihre Frage, ob Sie sich zu mir gesellen dürfen, bejaht zu haben.« Tara hielt diesen kleinen Einwand für notwendig. Allerdings wusste sie nicht, was sie getan hätte, wenn er wirklich wieder gegangen wäre.
    »Und dann fragt man sich immer, warum wir den Ruf haben, unhöflich zu sein«, entgegnete er mit einem gespielten Seufzen. »Letzte Nacht habe ich Ihnen einen Haufen Probleme und viel Zeit erspart. Ich habe Kopf und Kragen riskiert, um das hier« – er deutete auf ihre Handtasche – »zu holen. Und jetzt bin ich hier, um es Ihnen zurückzugeben. Dafür könnten Sie sich ruhig ein bisschen dankbarer zeigen.«
    »Man hat mir eingebläut, dass ich nicht mit Fremden sprechen soll. Hier läuft ein Mörder frei herum, wenn Sie sich recht entsinnen.«
    »Ja, aber zum Glück wissen Sie ja, dass ich es definitiv nicht bin. Auch wenn ich für andere« – er beugte sich zu ihr vor – »nach wie vor verdächtig bin. Da haben Sie’s: Um Sie zu beschützen, habe ich mir jede Menge Ärger eingehandelt.«
    »Dafür gab es keinen Grund.«
    »Dafür gab es viele Gründe.«
    »Zum Beispiel?«
    Er zuckte die Schultern und bedankte sich freundlich bei dem Kellner, der ihm seinen Kaffee brachte. Dann beugte er sich wieder vor. »Ich kann mich aus der Sache nicht raushalten. Alle wissen, dass Jean-Luc und ich für Dubois gearbeitet haben. Aber niemand hat Grund, anzunehmen, dass Sie zur fraglichen Zeit in der Katakombe waren – oder dass Sie ein ausgeprägtes Interesse an der Ausgrabung zeigten.«
    »Aber das habe ich doch gar nicht«, protestierte sie.
    »Na klar. Deshalb sind Sie ja auch noch in den Gängen herumgekrochen, nachdem Sie versichert hatten, dass Sie alleine rausfinden würden.«
    »Ehrlich gesagt weiß ich nichts über diese Ausgrabung.«
    »Überhaupt nichts?«
    »Ich bin gerade erst aus New York angekommen.«
    »Dann war Ihr Interesse an dem

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