Reich der Schatten
Jean-Luc war noch da. Er wurde ermordet, damit Louisa de Montcrasset geraubt werden konnte. Die Polizei wird den Mörder bestimmt finden.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das werden sie nicht«, meinte er verzagt.
»Und warum nicht?«
»Weil es Louisa de Montcrasset war, die den Mord begangen hat.«
»Ich bin die ganze Nacht herumgelaufen«, erklärte Brent müde. »Ich habe alle Gassen, Cafés, Bars, Restaurants und Bordelle in der Gegend abgesucht. Ich habe sogar an den Louvre gedacht, aber …« Er hielt inne und sah auf Lucian. »Du bist geschickter, wenn es darum geht, sich an Wächtern vorbeizuschleichen. Jedenfalls habe ich bis heute früh die Straßen von Paris durchforscht. Dann habe ich geduscht und der jungen Amerikanerin die Handtasche zurückgegeben.«
»Die Frau, mit der du im Café gesessen hast«, stellte Lucian fest.
»Richtig.«
»Du hast dafür gesorgt, dass sie nicht zur Polizei rennt und somit nicht in den Akten auftaucht?«
»Jawohl. Zumindest bislang. Sie ist so verdächtig wie eine CIA-Agentin.«
»Eine ziemlich hübsche Agentin«, meinte Jade leise lächelnd.
Brent runzelte die Stirn. »Stimmt«, pflichtete er ihr bei. »Und ich glaube, dass sie etwas weiß, obwohl sie alles abstreitet. Ich muss noch mehr über sie herausbekommen. Sie wohnt hier im Château DeVant.«
»Seltsamer Zufall«, meinte Lucian und verzog das Gesicht.
»Ja, das finde ich auch«, meinte Brent. »Sie ist die Enkelin des Alten.«
»Vielleicht haben wir mehr Hilfe, als wir wissen«, murmelte Lucian nachdenklich.
»Weil das Mädchen mit Jacques DeVant verwandt ist?«, fragte Jade. »Ich kann mir noch immer keinen rechten Reim auf die ganze Sache machen. Ich blicke einfach nicht durch.«
»Ich fürchte, wir haben dir nicht genügend über die Geschichte vermittelt«, meinte Lucian. »Aber wir erklären dir alles so bald wie möglich.« Er wandte sich wieder an Brent. »In der Kirche war eine Leiche, aber es sind keine weiteren Morde bekannt?«
»Nein. Aber schließlich ist der Vormittag noch nicht vorbei.«
»Sie hält sich bedeckt«, murmelte Lucian.
»Ja, das glaube ich auch«, meinte Brent.
»Aber dann ist sie ganz besonders gefährlich«, stellte Lucian fest.
Wieder erwiderte Brent leise: »Ja, das vermute ich auch. Aber du weißt ja mehr über die Vergangenheit als ich, viel mehr.«
»Das Problem ist nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Unsere Feinde haben schon viel länger versucht, sie zu wecken, als ich dachte«, sagte Lucian. »Sie ist jedenfalls nicht allein, das ist klar.«
»In den letzten Wochen wurden fünf Personen als vermisst gemeldet«, berichtete Brent.
»Aber ihre Leichen sind nicht aufgetaucht«, meinte Lucian nachdenklich.
»Noch nicht.«
Sie saßen um den Esstisch des kleinen Hauses, in dem Brent seit einem knappen halben Jahr zur Miete wohnte. Jade stand auf.
»Wir müssen uns jetzt alle erst mal ausruhen. Unbedingt!«
Lucian schüttelte ungeduldig den Kopf. »Immer wenn sie ruht, verstärkt sich ihre Macht.«
»Aber auch du bist dann am besten, wenn du ruhst«, gab Brent zu bedenken. »Und du bist derjenige, der uns gewarnt hat, dass hinter der Sache noch weit mehr steckt, als wir bisher vermuteten.«
Lucian stieß einen langen Seufzer aus. »Du hast recht. Jetzt ist Ruhe angesagt. Ich habe ohnehin wenig in der Hand. Nichts bis auf das Gefühl … das Wissen, dass etwas in der Luft liegt, eine große Gefahr. Dennoch müssen wir rasch handeln.«
»Sehr rasch. Einiges kann ich jetzt gleich tun«, erklärte Brent entschlossen.
»Du bist die ganze Nacht auf den Beinen gewesen«, wandte Jade ein. »Auch du brauchst jetzt etwas Ruhe.«
»Etwas, ja. Ich brauche nicht sehr viel Schlaf. Aber ich muss heute wirklich noch einiges erledigen. Zum Beispiel nachsehen, was mein neuer Freund, Kommissar Javet, so treibt.«
»Du kannst doch auch im Schlaf deine Talente einsetzen«, meinte Jade.
»Ich fürchte, die meisten meiner Talente beruhen auf ganz alltäglichen Quellen, Büchereien zum Beispiel«, erwiderte Brent trocken.
»Jedenfalls braucht jeder mal eine Mütze voll Schlaf«, erklärte Jade resolut. »Wenn du nicht schläfst, bist du irgendwann mal zu nichts mehr zu gebrauchen. Aber ich könnte jetzt ein paar Erkundungsgänge machen.«
Die zwei Männer runzelten fragend die Stirn.
Sie lächelte matt. »Ich habe im Flugzeug geschlafen. Ihr zwei solltet jetzt unbedingt ruhen. Ich sehe zu, was ich herausfinden kann. Ich kann zumindest in eine Bücherei gehen und
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