Reich der Schatten
Schnauzer, seiner Freundin offenbar den Laufpass gab, einem jungen Rotschopf im Minirock mit einer schicken Kurzhaarfrisur, der jetzt mit Brent tanzte.
Als das Lied vorbei war, überquerte Brent die Tanzfläche auf dem Weg zu ihr.
Aber Lucian hielt ihn auf und sagte etwas zu ihm, woraufhin er das Gesicht verzog und stehen blieb. Die beiden unterhielten sich kurz, dann kam er zu ihr.
»Die anderen müssen leider gehen.«
»Gehen Sie nicht mit?«
»Ich treffe sie später wieder.« Er zögerte. Sie waren beide etwas verschwitzt von all dem Rumgehopse und standen jetzt ziemlich nah beieinander. Tara merkte, dass sie wirklich viel Spaß gehabt hatte …
… und mehr wollte.
Jedes Mal, wenn die Tanzpartner gewechselt wurden, hatte sie gehofft, dass er zurückkäme. Ihr Misstrauen und ihre Vorsicht hatten sich zwar kaum verringert, aber ihr war klar, dass sie sich trotzdem zu ihm hingezogen fühlte. Ja, eigentlich hatte sie sich noch nie in ihrem Leben so stark zu jemandem hingezogen gefühlt. Wenn sie ihn doch nur unter anderen Vorzeichen kennengelernt hätte! Wenn sie mit ihm doch nur woanders hätte sein können, auf einer einsamen Insel etwa. Einer warmen, einsamen Insel, auf der man nur das Nötigste anzuziehen brauchte und sie einfach nur die Hand ausstrecken müsste, um seine nackte Brust zu berühren, gegen die sie heute Abend so häufig gedrängt worden war.
Als sie zu ihm hochblickte, durchströmte es sie warm. Sie wusste nicht, woran er in diesem Moment dachte. Vielleicht nicht an einen Strand, vielleicht an einen Platz vor einem hell lodernden Feuer. Auf alle Fälle ging es darum, zu berühren und berührt zu werden, und darum, sich näher zu kommen, als es auf der Tanzfläche möglich war.
Sie trat einen Schritt zurück. Manchmal hatte sie den Eindruck, sie sei die einzige vernünftige Person in einer Welt voller Verrückter. Sie hatte Freundinnen, die Typen in einer Bar kennenlernten und mit ihnen schliefen, ohne deren Nachnamen zu kennen. Sie selbst hatte sich immer viel Zeit gelassen, um jemandem nahezukommen. Bislang hatte sie sich nur auf drei richtige Liebesbeziehungen eingelassen.
Aber jetzt wollte sie nicht länger warten, und sie wollte auch gar nicht die Wahrheit über ihn hören, nichts von seiner Vergangenheit wissen. Sie wollte nur eine einzige Stunde, um ihre Neugier und ihr jäh entflammtes Verlangen zu befriedigen, das sie vom ersten Moment ihrer Begegnung an verzehrt hatte.
Solchen Gelüsten nachzugeben war jedoch überhaupt nicht ihre Art. Sie zwang sich, noch einen Schritt zurückzutreten, sie blinzelte und versuchte, diesen Mann einzuschätzen. Es kostete sie unendliche Mühe, den Blick von seinen Händen zu wenden und sich von ihren Fantasien loszureißen, wie diese Hände sich wohl anfühlten, wenn sie sie berührten – wirklich berührten.
»Unseretwegen müssen Sie nicht bleiben. Wir schaffen es schon alleine nach Hause, schließlich sind wir auch alleine hergekommen, und wir haben Tränengas dabei. Mit Begleitung hatten wir nicht gerechnet.«
»Wo steckt denn Ann?«, fragte er.
Sie drehte sich um und hielt auf der Tanzfläche Ausschau nach ihrer Cousine. Ann war in der Menge kaum zu erkennen, doch sie sah den Mann, der bei ihr war, ein großer, blonder Mann. Er hätte Verteidiger in einem Footballteam sein können. Ihre Cousine stand offenbar auf den Zehenspitzen und hatte die Arme um ihn gelegt, als sie ihn auf die Wangen küsste. Sehr französisch.
Doch dann zog der Mann sie an sich und umarmte sie innig. Er presste das Gesicht an ihren Nacken, und ihre dunklen Haare legten sich wie ein Vorhang um ihn.
Schließlich trennten sich die beiden. Anns Wangen waren tiefrot, und sie lächelte. Schließlich ließ sie den Mann stehen und eilte zum Ausgang; offenbar hatte sie gemerkt, dass die DeVeaus im Aufbruch begriffen waren, und wollte sich von ihnen verabschieden.
Sie gab ihnen die hier üblichen Wangenküsse und forderte die beiden noch einmal auf, sie doch bald im Château zu besuchen.
Tara hielt sich zurück, auch wenn sie ihre Cousine am liebsten erwürgt hätte. Lucian und Jade lächelten und winkten ihr zu. Sie zwang sich, das Lächeln zu erwidern und ebenfalls zu winken. Dann wandte sie sich noch einmal an Brent.
»Sie können wirklich gerne mit ihnen gehen!«, wiederholte sie. Die Worte hätten eigentlich ganz beiläufig und fest klingen sollen, doch sehr zu ihrem Verdruss kamen sie eher wie ein verzweifeltes Flüstern heraus.
»Aber ich habe nichts dagegen,
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