Reich der Schatten
gesprochen – Französisch mit einem starken Südstaatenakzent.«
»Das ist doch nicht schlimm«, meinte Ann. »Sie sprechen die Sprache und verstehen, was gesagt wird.«
Tara fiel auf, dass ihre Cousine ziemlich lebhaft wirkte. Ihre Wangen waren zartrosa gefärbt, was ihre Attraktivität noch erhöhte. Sie plauderte munter mit allen Anwesenden, aber gleichzeitig schien sie den rückwärtigen Teil des Lokals zu beobachten. Tara versuchte herauszubekommen, was dort so interessant war, doch inzwischen herrschte ein zu dichtes Gedränge in der Bar.
Ab und zu warf Ann einen amüsierten Blick auf sie und rückte Brent ein bisschen näher. Tara musste zugeben, dass ihr das ganz und gar nicht gefiel.
Sie konnte es zwar verstehen, aber es missfiel ihr, und genauso wenig gefiel ihr, dass der Mann neben ihr viel zu nah saß und bei jeder von Anns Avancen näher rückte. Freilich war der geringe Abstand nicht ungewöhnlich, da es heute so voll war. Aber Tara kam es vor, als könne sie den ganzen Körper dieses Mannes spüren. Seine langen Beine hatte er unter dem Tisch ausgestreckt. Daran war an und für sich nichts auszusetzen, aber wenn sie sich bewegte, würde sie sie berühren. Und dann noch die sonderbare Hitze, die dieser Mann auszustrahlen schien und die sie dazu verleitete, näher zu rücken, als ob ihr kalt wäre.
Aber ihr war nicht kalt.
Und sein Duft. War es sein Aftershave oder die Seife, die er benutzte? Auf alle Fälle war auch dieser Duft äußerst verlockend, obgleich er sehr dezent war. Eigentlich war an dem Mann alles dezent, aber es war vorhanden … etwas, was sie unbewusst anlockte.
Doch gleichzeitig leuchteten immer wieder alle Warnlampen auf. Sie musste unbedingt auf der Hut sein.
Ein Mann war tot.
Sie wusste zwar, dass Brent Malone es nicht getan hatte, aber vielleicht gab es eine Verschwörung? Vielleicht waren seine Freunde in der Grabkammer gewesen, vielleicht waren ja sie die Mörder? All das Gerede über das Böse und über Vampire war natürlich blanker Unsinn, auch wenn Jacques in eine ähnliche Richtung dachte wie dieser Fremde. Aber vielleicht wussten diese Leute etwas über Jacques, vielleicht wussten sie, dass sie in der Grabkammer gewesen war, weil ihr Großvater sie dazu gedrängt hatte, und vielleicht nutzten sie Jacques Ansichten nun geschickt aus?
»Tara!«, sagte Ann.
Sie zuckte zusammen. »Was ist denn?«
»Du bist mit deinen Gedanken meilenweit weg. Ich gehe jetzt zu dem großen Burschen dort drüben, wir wollen tanzen. Brent hat dich gerade gefragt, ob du mit ihm tanzen willst.«
»Oh, Verzeihung. Aber ich denke, ich … ich lasse es lieber bleiben.«
Lucian und seine Frau waren schon aufgestanden, und Ann machte sich nun eilig daran, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Sie schien es kaum erwarten zu können, auf die gegenüberliegende Seite zu kommen. Welchen großen Burschen meinte sie überhaupt? Tara war noch immer nicht klar, wen ihre Cousine im Visier gehabt hatte.
»Tara?« In Brents Blick lag eine gewisse Belustigung, vielleicht auch eine Herausforderung. Er streckte ihr die Hand hin.
Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte die Hand weggeschlagen. Doch plötzlich lagen seine langen, gebräunten, von der Arbeit schwieligen Finger auf ihrem Arm.
»Wollen Sie wirklich nicht tanzen?«
Sie versuchte, ihre Cousine auf der Tanzfläche ausfindig zu machen, entdeckte sie jedoch nirgends. Sofort machte sie sich Sorgen, auch wenn die wahrscheinlich völlig unbegründet waren.
Brents Hand lag noch immer auf ihrem Arm.
Sie wollte den Arm wegziehen, tat es jedoch nicht. Ihr Herz hämmerte.
»Ich traue Ihnen einfach nicht über den Weg«, erklärte sie schroff. »Und ich mache mir Sorgen um meine Cousine.«
»Ich weiß.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sie sind wie ein offenes Buch.«
»Dann sollten Sie auch gemerkt haben, dass es mir lieber wäre, wenn Sie uns in Ruhe ließen.«
»Ihre Cousine wirkte recht angetan.«
»Aber das sollte sie nicht. Sie und Ihre Freunde kommen mir irgendwie … irgendwie undurchsichtig vor.«
Er kniff seine neugierigen Augen kurz zu, bevor er Tara wieder eingehend betrachtete.
»Undurchsichtig?«
»Besser kann ich das Gefühl im Moment nicht beschrei-ben.«
»Undurchsichtig? Na, das trifft mich aber.«
»Wie kann ich Sie mit so etwas treffen? Sie kennen mich doch kaum. Und außerdem habe ich das Gefühl, dass Sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.«
»Ich glaube nicht, dass ich Sie belogen habe«, erwiderte
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