Reich der Schatten
euch nach Hause zu begleiten. Wirklich nicht«, sagte Brent und deutete auf die Tanzfläche. »Lauter Wölfe!«
»Woher soll ich wissen, dass Sie nicht der Schlimmste von allen sind?«
»Das können Sie nicht wissen«, erwiderte er leise.
Sie konnte ihm keine Antwort mehr geben, denn Ann drängte sich dazwischen.
Sie sprach sehr laut, um die Musik und die Menschenmenge zu übertönen. »Ihre Freunde sind wirklich reizend!«, erklärte sie Brent strahlend.
Der dunkle Bursche mit dem Schnauzbart trat hinter Ann und nahm sie an der Hand. Er sprach auf sie ein und zog sie auf die Tanzfläche.
Tara musterte Brent noch einmal eindringlich, dann bahnte sie sich einen Weg zurück an ihren Tisch. Er kam ihr nach und setzte sich neben sie.
»Was ist denn jetzt wieder los?«, fragte er.
»Sie können doch meine Gedanken lesen«, meinte sie provokativ.
»Tja, ich glaube, dass Sie misstrauisch sind und sich fragen, was meine Freunde wohl so spät noch zu tun haben.«
»Und?«
»Sie haben wirklich noch etwas zu tun.«
»Ach ja?«
»Das war schon früher vereinbart.«
»Ach so.«
Sie drehte sich weg. Warum war sie überhaupt an den Tisch zurückgekehrt? Von hier aus konnte sie Ann nicht beobachten.
»Wenn Sie ein Auge auf Ihre Cousine haben wollen, müssen wir wieder tanzen.«
»Ich muss sie nicht ständig im Auge behalten«, schwindelte sie.
»Aber Sie machen sich Sorgen um sie.«
Sie sah ihn nachdenklich an.
»Vielleicht. Ann ist nicht so misstrauisch wie ich. Ich möchte nicht, dass sie jemandem zu schnell ihr Vertrauen schenkt – zumindest niemandem hier drinnen. Und außerdem glaubt sie auch nicht an das Böse oder an Spukerscheinungen.«
»Ich dachte, auch Sie wären viel zu vernünftig, um an etwas zu glauben, was Sie nicht mit eigenen Augen sehen können.«
»Aber ich bin äußerst misstrauisch.«
Zu ihrer Verwunderung erwiderte er nichts. Sein Blick war starr auf die Tanzfläche gerichtet. Er blieb zwar sitzen, wirkte aber so angespannt, als wäre soeben eine Bande Gangster mit Schnellfeuerwaffen in die Bar eingedrungen.
»Wir müssen Ihre Cousine von hier wegbringen«, sagte er und stand auf.
»Wie bitte?«
»Sie haben mich doch gehört. Wir müssen weg.«
»Warum?«, fragte sie, überrascht von seinem jähen Stimmungsumschwung.
Er blickte auf sie herab. Seine Miene war versteinert, die gelben Augen glühten wie Feuer. »Können Sie mir wenigstens diesmal vertrauen?«
Sie wusste nicht, welche Kraft in seinem Blick lag, doch unwillkürlich stand sie auf – und vertraute ihm. Auch sie war plötzlich bestrebt, die Bar möglichst schnell zu verlassen.
Sie vertraute ihm.
Wenigstens diesmal.
Gemeinsam eilten sie auf die Tanzfläche und drängten sich durch die Menge zu Ann. Während Tara mit ihrer Cousine sprach, musterte Brent eingehend alle Anwesenden.
»So früh schon? Warum müssen wir jetzt gehen?«, rief Ann. »So viel Spaß hatte ich seit Jahren nicht mehr! Keine Sorge, ich nehme diese Wölfe hier nicht ernst, Tara, aber ich amüsiere mich wirklich prächtig. Na gut, vielleicht gibt es einen, den ich ernst nehme. Rache, ein süßes Wort! Tara, lass dich doch von Brent nach Hause bringen, und ich komme dann mit ihm in ein, zwei Stunden nach.«
»Nein! Ich gehe nicht ohne dich.«
»Aber Tara! Wenn du nicht da bist, gehe ich doch auch aus, um Freunde zu treffen – und zwar alleine.«
»Wir müssen jetzt weg!«, fuhr Brent dazwischen und starrte Ann an.
Plötzlich lächelte sie und zuckte die Schultern. »Na klar, wenn Sie meinen.«
Tara war total erstaunt, wie rasch sich Ann gefügt hatte. Nun hakte sie sich bei ihr unter und machte sich auf den Weg zum Ausgang.
»Ach, die Rechnung!«, fiel ihr noch ein.
»Lucian hat schon bezahlt«, erklärte Brent kurz angebunden. »Gehen wir.«
Als sie auf der Straße standen, starrte Brent zurück zur Bar. Er wirkte noch immer sehr angespannt. Tara hatte den Eindruck, dass er sich noch einmal darüber klar werden wollte, was ihn plötzlich so gestört hatte, dass er zum Aufbruch gedrängt hatte.
»Der hellblonde Typ war wirklich sehr nett«, sagte Ann auf dem Weg zum Auto. Die Cousinen gingen nebeneinander, Brent folgte.
»Welcher Typ?«
»Tja, wie soll ich ihn beschreiben? Er ist so um die einsneunzig, klassische Gesichtszüge, tolle Schultern … wirklich etwas Besonderes.« Sie lächelte Tara selig an. »Der Amerikaner, den ich heute getroffen habe. Weißt du noch? Ich habe dir doch von ihm erzählt.«
»Warum hast du mich nicht
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