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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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viel Angst um mich selbst.«
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und der Chefarzt Andreson kam herein, gefolgt von vier Wachen. Sie wirkten gereizt und waren wie immer bewaffnet. Doch heute waren sie offenbar sehr angespannt. Ihre Blicke schweiften nervös durch den Raum, und sie benetzten sich ständig die trockenen Lippen.
    »Weiss!«, fauchte Andreson mit schneidender Stimme und fixierte den guten Mann kalt. »Ich wusste, dass Sie ein Verräter sind. Das wusste ich schon lange. Allerdings spielt es keine große Rolle, Sie haben nichts getan, was ich nicht zugelassen hätte. Aber jetzt muss sich etwas ändern, und offen gesagt hatte ich nicht geplant, Sie den Krieg überleben zu lassen.«
    Weiss nahm all seinen Mut zusammen. Er stand auf und erklärte würdevoll: »Nein, mein Herr, ich habe nichts verraten, weder mein Land noch meine Gesinnung noch meinen Gott. Und ich habe nie damit gerechnet, diesen Krieg zu überleben.«
    Andreson wandte sich an seine Begleiter.
    »Tötet ihn!«, befahl er ungerührt. Dann setzte er noch hinzu: »Aber langsam! Jagt ihm ein paar Kugeln in den Leib, die ihm richtig wehtun, bevor er stirbt.«
    Der Lieutenant wusste nicht, was plötzlich in ihn fuhr, aber es war eine Kraft, die er noch nie zuvor gespürt hatte.
    Adrenalin.
    Blinde Wut.
    Plötzlich war er so wütend, dass es ihm gelang, die Fesseln zu sprengen, die ihn so lange gefangen gehalten hatten. Es kostete ihn nicht einmal besonders viel Mühe.
    Er sprengte sie einfach.
    Andreson erteilte seinen Begleitern lauthals brüllend den Befehl, zu schießen. Der Lieutenant fiel auf sein Lager zurück.
    Doch die Kugeln verletzten ihn nicht tödlich.
    Er war ebenso schnell wie stark. Es wurde auf ihn geschossen, und er spürte auch, wie die Kugeln in seinen Leib drangen, aber sie hielten ihn nicht auf.
    Er stürzte sich auf Andreson, den Mann, der ihn tagaus, tagein gefoltert hatte, der gedroht hatte, Weiss zu ermorden.
    Er stürzte sich auf ihn.
    An mehr konnte er sich später nicht erinnern.
    Als Nächstes sah er Andreson in einer Blutlache auf dem Boden liegen, und der Mann wirkte wie von Stacheldraht zerfetzt. Die anderen schrien etwas in ihrer Sprache, was er nicht verstand. Sie zielten abermals auf ihn, versuchten abermals, ihn und auch Weiss zu töten.
    Er wusste nur, dass er sie aufhalten musste. Zu seiner Verwunderung konnte er sich inmitten dieses Kugelhagels noch immer bewegen.
    Die ersten zwei …
    Er packte sie an der Gurgel, schmetterte sie gegeneinander, ließ sie fallen. Dann standen die anderen beiden vor ihm. Sie waren zwar leichenblass, doch noch immer versuchten sie, ihn zu töten.
    Aber auch sie gingen zu Boden, wie Andreson vor ihnen.
    Und wie Andreson wurden auch sie zerfetzt.
    Plötzlich erstarben alle Geräusche – die Einschläge der Kugeln in Wände, Boden, Glasgefäße, Bettgestelle.
    Stille trat ein.
    Dann berührte ihn jemand. Es war Weiss. »Wir müssen weg. Jetzt, sofort. Sie bluten, Sie …«
    Weiss starrte ihn an. Sein Atem ging stockend. »Können Sie mich noch hören? Wissen Sie, wer ich bin? Kommen Sie, rasch, ich muss Sie in Sicherheit bringen.«
    Er merkte, dass er verletzt war, wahrscheinlich halb tot. Zahllose Kugeln steckten in seinem Körper. Weiss zog an ihm … es war alles so seltsam … er kroch auf allen vieren, rutschte in den Blutlachen aus. Er warf einen letzten Blick auf die zerfetzten Leichen, blinzelte das Blut aus seinen Augen, dachte, etwas rührte sich noch.
    »Sie … sie sind nicht … tot.«
    »Mein Gott, sie sind tot!«, erklärte Weiss.
    Sein Kopf dröhnte. Er hatte Angst, ohnmächtig zu werden. Weiss führte ihn aus der Baracke, brachte ihn nach hinten an ein Loch im hohen Stacheldraht.
    Er wusste, welchem Zweck dieses Loch diente.
    Durch dieses Loch waren immer die Leichen weggeschafft worden.
    »Wächter!«, krächzte er.
    Männer begannen zu schreien, eilten auf sie zu. Doch zur Verwunderung des Lieutenants wurden ihre Rufe heiser, und sie wichen wieder zurück. Sie feuerten zwar ein paar Schüsse ab, doch offenbar nahmen sie sich keine Zeit, zu zielen, keiner traf.
    Der Lieutenant wusste nicht, warum. Sicher bot er mit seinen zahllosen blutenden Wunden einen grauenhaften Anblick, aber warum die Wächter so entsetzt waren, wild herumfuchtelten und einander zuschrien, sich schleunigst in Sicherheit zu bringen, konnte er sich nicht erklären. Die Leute schienen vor ihm tatsächlich größere Angst zu haben als vor amerikanischen oder russischen Soldaten.
    »Kommen

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