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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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Eine Ausstellung! Auf den Kurier ist Verlass.
    Anne und ich, wir fallen uns in die Arme, wir jubeln und fragen uns, wann wir die ersten Motive nachdrucken müssen und was ist, wenn jetzt ganz Berlin die BHs haben will.
    Um 22.36 Uhr ruft draußen einer: »Ihr Hetzer!« und springt fast gegen die Scheibe – nur ein Freund.
    Um 23 Uhr klingelt das Telefon. Ich kann noch nicht wieder mit Fremden sprechen, ich lasse es klingeln.
    Morgen werden sie bestellen. Ganz bestimmt! Die Überzeugung vom Guten überdeckt die Angst vor dem, was kommen könnte. Wir hängen die Seite vom Kurier an die Wand. Wie eine Trophäe hängt sie da. Unsere erste Seite.
    Es wird eine sehr unruhige Nacht für Berlins meistgehassten T-Shirt-Verkäufer. Es ist hier nicht der richtige Ort, darüber zu sprechen, was ich geträumt habe.
    ***
    »Juri, was hast du denn da an der Nase, da oben, das ist ja ein ganz roter Fleck«, frage ich Annes Sohn im Auto, der langsam berühmter wird als ich.
    »Weiß ich nicht, eine Schramme! Hier am Mund habe ich auch überall Stellen«, sagt er und streicht sich über die Lippe.
    »Die schminken mir das alles weg«, sagt er und guckt aus seiner Kapuzenjacke. Seine Winterschuhe mit dem Klettverschluss wirken viel zu groß.
    Kaum sitzt das vorne zahnlose Kind im Auto, ruft es: »Mama, Hunger, Hunger«, und es kommt mir schon ein bisschen verzogen vor. Anne verspricht ihm, dass es noch einen Bäcker gibt auf dem Weg, aber er sieht ihn nicht, und da beginnt er zu weinen.
    Wenig später hat Juri das letzte verfügbare Schoko-Croissant im Mund.
    »Gekommen, was gewollt«, ruft er.
    Er hat kein Problem damit, Prinz zu sein. Manchmal ist es für seine Aufraggeber besser, dass auf dem Weg in die Konzernzentrale noch ein Bäcker liegt.
    Ob denn die Schminke gar nicht störend ist, will ich von ihm wissen.
    »Die Schminke stört mich gar nicht. Die juckt nur ein bisschen«, sagt er. »Nur beim ersten Mal war mein Gesicht danach ganz rot.«
    Er könnte jetzt auch Fernsehmoderator sein und seinen Fans erzählen, wie sein Leben ist.
    »Aber jetzt hat sich mein Körper schon daran gewöhnt, weil ich ja jede Woche da hingehe. Das Gesicht kann ja nicht jede Woche purpurrot werden.«
    Nein, das kann es nicht. Gut so, dass es das nicht kann.
    Vor dem Friedrichstadtpalast verkeilt sich Anne beim Wenden. Schnell noch den Rest von dem französischen Kuchen in den Mund gestopft, einmal drübergewischt, dann sind wir bei diesem Online-Modekonzern.
    »Hast du genug Geld dabei?«, fragt Juri.
    »Wofür?«, fragt Anne.
    »Na, für meine Überraschung.«
    Rein durch die Drehtür, in der man sich vorzüglich die Finger einklemmen kann.
    Überall sind Klingeln in Erwachsenenhöhe, aber der kleine Juri kommt an alle wichtigen ran, wenn er einen ganz langen Arm macht.
    Jetzt stolziert er vorneweg, als ginge er hier in den Hort, als sei da hinten, wo gleich der Fotograf wartet und die Frau mit den Kleidern, als sei dort sein Reich.
    Er läuft vorneweg wie ein Prinz. Wie schnell das ging.
    Mitten rein ins Fotoatelier mit wenig Tageslicht, wo eine Asiatin gerade frische Oberteile in Szene setzt. Weiter durch an einem verwaisten Bearbeitungsrechner vorbei, durch den Gang mit der Fotowand, den ganzen schicken erwachsenen Männern und Frauen, stolz ist er, zu Hause, und platzt direkt in den Höhepunkt eines Wäsche-Shootings.
    In den Hauch von Paris.
    In einen Hauch von Nichts, der nicht für Kinder ist.
    Wo ein bildhübsches Model gerade etwas kleines Schwarzes anhat und die Hände vor den Oberkörper nimmt und den Kopf zurückwirft und Wind in den langen blonden Haaren hat, der niemanden interessiert.
    Wind ist in solchen Momenten ja immer ziemlich egal.
    Wenn Juri zehn Jahre älter wäre, käme er jetzt genau richtig! Aber jetzt ist er falsch. Jetzt ist er total falsch.
    »Könnten wir vielleicht alle noch mal rausgehen«, blafft der Fotograf, der es nicht gerne hat, wenn kleine Juris dabei sind.
    »Könnten wir vielleicht noch mal rausgehen, jetzt, wo wir die Wäsche fotografieren?«
    Juri bleibt stehen und guckt genau dorthin, wo er auch hingucken würde, wenn er zehn Jahre älter wäre.
    Auf die Brüste!
    Brav, Juri, brav.
    Also wieder raus. Und ein bisschen über das Raumschiff diskutieren, dass er gerne hätte, wenn das mit dem Brüste gucken und ein bisschen modeln vorbei ist.
    Von seiner Gage!
    Ich habe noch keine Ahnung, wie ein Kinder-Shooting funktioniert. Was Juri da machen wird und ob er es gut macht.
    Aber er muss es ja offenbar gut

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