Reich kann jeder
machen dich fertig! Du hast es doch selber so gewollt! Wir wollen das doch groß, brauchen die Boulevard-Presse, die Aufregung!«
Wir wollen doch nur zeigen, wie es geht mit dem Kommerz, und dass es geht. Ist doch Satire.
Wenn morgen einer meine arme Mutter anruft, weiß die noch nicht mal, worum es geht.
Zwölf Minuten. Ich rufe Anne an. Sie ist bei der Arbeit, dass sie ausgerechnet heute arbeiten muss.
»Der Kurier hat angerufen«, sage ich, Ostberlins größte Boulevard-Zeitung.
»Ja, wirklich? Toll! Und?«, fragt Anne.
»Wir machen das in der Tradition des britischen Humors«, pflanzt sie mir ein. Sie weiß, wie sie mich ruhig kriegt. Sie sei stolz, sagt sie, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
»Sag: Wir wollen mit unseren Shirts Bewusstsein wecken, zum Hingucken animieren, zum Wachsamsein!«
Zum Schlechten nur Gutes sagen, sich auf nichts einlassen, ausweichen.
Dann klingelt wieder das Telefon.
Ein Räuspern. Die Stimme ist wieder da. Die Stimme, die sich über eine Geschichte freut.
»Hallo!«
»Ist es für Sie besser jetzt?
»Ja. Perfekt.«
»Haben Sie denn da mal schlechte Erfahrungen mit den Brandenburgern gemacht, dass Sie jetzt sagen: Ich mache so eine Kollektion?«
»Das war eine Idee, die wir mit Freunden gemeinsam hatten. Wir haben uns gefragt, was müsste man eigentlich machen, um mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen für die Probleme, die da sind und die Menschen beschäftigen. Was kann man da tun?«
»Okay.«
Ich merke, das interessiert ihn nicht.
»Es ist ein Satire-Shirt. Es soll ein bisschen zum Schmunzeln anregen und wachrütteln. In der Tradition des britischen Humors.«
Ich höre, dass er das nicht hören will. Es interessiert ihn nicht, aber er tut trotzdem so, als höre er mir ganz genau zu.
Er sagt, er wolle gerne noch ein bis zwei Sätzchen zu meiner Person schreiben. Dann wisse der Leser mehr über mich.
»Das können wir gerne machen. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie mir vorher noch einmal schicken, womit Sie mich zitieren.«
»Das können wir gerne machen.«
»Was sehr interessant wäre für uns, ist die Frage, ob wir Sie vielleicht selbst zeigen dürften? Wir würden gerne die T-Shirt-Motive zeigen und auch ein Bild von Ihnen. Ich weiß nicht, ob Ihnen das recht ist und ob Sie mir vielleicht ein Bild von sich schicken könnten?
»Ja, das könnte man bestimmt machen!«
Wenn schon, denn schon, denke ich.
»Es wäre super, wenn Sie mir ein Foto zuschicken könnten. Es muss nicht hochauflösend sein, ein Porträt, was immer Sie haben.«
Anne kommt. Kurz vor dem Andruck des Kuriers macht sie ein paar Brote, Pflaumen und Bananen für uns fertig.
»Henkersmahlzeit«, sagt sie.
»Ich rechne mit nichts Gutem«, sage ich. Anne beißt von ihrem Weißbrot ab. »Wir wissen ja, welche Geister wir gerufen haben.«
Alle werden mich hassen, denke ich. Und Anne ist fein raus.
Wir klicken noch ein bisschen auf der Homepage vom Berliner Kurier . Der Freund, der mein Feind ist, denke ich. Noch ist Helmut Kohl auf Seite 1. Ich halte es fast nicht mehr aus.
Was wird passieren? Machen die es oder machen die es nicht? Und wenn ja, wie groß? Wer wird morgen noch mit mir reden?
Ab ins Auto, zum Bahnhof Alexanderplatz. Das Auto im Halteverbot vorm Roten Rathaus geparkt, dem Moment der Wahrheit entgegen.
Es ist dunkel, Vollmond und klirrend kalt – und sehr leer am Alex, »Tatort«-Zeit. Ein Typ mit Kapuzenshirt kommt uns entgegen, eine Zeitung unterm Arm.
»Ist das der Kurier? «, frage ich.
»Ja, da hinten am Eingang, da steht der Verkäufer.«
Gewichte wie Klötze an den Beinen, die Stunde der Wahrheit. Werbung oder Nicht-Werbung? Die haben es nicht gemacht, sonst hätte schon jemand angerufen, sage ich zu Anne. Zittern. Wir schlagen die Zeitung auf – noch nie war ich so aufgeregt, eine Zeitung aufzuschlagen.
Seite 2 nicht, Seite 3 nicht, Seite 4, Seite 5.
»Die haben es nicht gemacht«, denke ich. Der Artikel steht auf Seite 6. Es steht nichts anderes mehr auf Seite 6, ich sehe nur meinen Kopf, das Model, die Motive, nur mich und das Model und unsere Shirts.
Und die Zeile: »Die Brandenburg-Hetzer von Prenzlauer Berg.«
Sie zeigen alle. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben. Alle Motive. Sieben Mal steht da: www.fieses-land.de. Oben die Platte, das Arbeitsamt, die Babys – für das Ossi-Gefühl. Unten das Kreuz, die BHs und die anderen Babys. Und in ganzer Größe unser schönes Model.
Wir sind nach der S-Bahn die wichtigste Geschichte.
Was für eine PR!
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