Reid 2 Die ungehorsame Braut
mein bisher bester Auftritt.«
Rafes Blicke durchbohrten sie wie Pfeilspitzen. Ophelia bekam es mit der Angst zu tun und wäre um ein Haar zurückgewichen. Wäre sie nicht so erbost gewesen, hätte sie sich entschuldigt und ein klärendes Gespräch angestrebt. Doch sie schäumte vor Wut.
»Und, wie fühlt es sich an, sprichwörtlich in die Ecke gedrängt zu werden und keinen Ausweg mehr zu sehen? Nicht sonderlich angenehm, oder?«, fuhr sie ihn an. »Und genau das hast du mit mir gemacht, du Schuft. Und weshalb? Nur, um eine dämliche Wette zu gewinnen.«
Von der Tür her war ein Klopfen zu hören. Vermutlich ihre Mutter. Oder möglicherweise Lord Cade, dem es nicht recht war, dass sie sich in seinem Arbeitszimmer aufhielten. Rafe lehnte sich gegen die geschlossene Tür, damit diese nicht geöffnet werden konnte und brummte: »Ja, doch. Nur einen Augenblick.« Das Klopfen erstarb.
»Ich schlage vor, du lässt dir alles noch einmal durch den Kopf gehen.« Raphael war selbst erstaunt, wie ruhig er nach außen hin wirkte, während er innerlich tobte. »Aus purer Gehässigkeit zu heiraten, halte ich für keine sehr gute Idee, Damit schadest du nicht nur mir, sondern vor allem auch dir. Rache ist süß, heißt es, aber der Genuss hält nur kurz an. Vergiss nicht, Phelia, dass wir hier vom Rest unserer beider Leben sprechen.« »Das ist mir egal!«
»Dein Entschluss steht also fest?«
»Wenn das die effektivste Möglichkeit ist, mich an dir zu rächen, ja.«
»Prima, dann nichts wie los.«
Ehe Ophelia wusste, wie ihr geschah, hatte Raphael sie abermals am Arm gepackt und zerrte sie zurück in das Esszimmer, wo er mit lauter Stimme verkündete: »Ophelia und ich haben entschieden, uns noch heute Abend trauen zu lassen. Alle, die diesem freudigen Moment beiwohnen wollen, sind herzlich dazu eingeladen, uns zu folgen.«
Kapitel einundvierzig
O phelia hatte sich benommen, wie es Heranwachsende oft taten. Sie hatte ohne nachzudenken den Mund aufgemacht und die verletzenden Worte nicht rechtzeitig zurückgenommen. Mit dem Unterschied, dass sie eine erwachsene Frau war.
Wenige Minuten nach Raphaels Ankündigung standen Raphael, Ophelia, Lady Cade und Mary Reid in der engen Diele eines Magistrats, dem Raphael die Heiratslizenz vorlegte. Die restlichen Gäste waren zu schockiert gewesen, um mitzukommen, doch Lady Cade hatte sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen wollen.
So hatte Ophelia sich ihre Hochzeit beileibe nicht vorgestellt. Unzählige Male hatte sie sich ausgemalt, wie sie mit einem prächtigen Brautkleid in einem prunkvoll geschmückten Gotteshaus zum Altar schritt, umgeben von lächelnden Frauen, die erleichtert waren, dass sie vom Heiratsmarkt verschwand, und grimmig dreinblickenden Herren, die trauerten, weil nicht sie der Glückliche waren, dem sie in Kürze ewige Liebe schwören würde.
Zeremonie des ungepflegten Magistrats war an Geschmacklosigkeit und Eile nicht mehr zu überbieten. Hinzu kam, dass im Nachbarraum die Mutter des Magistrats vor sich hin schnarchte. Das war im Übrigen auch der Grund, warum sie mit der engen, dunklen Diele vorliebnehmen mussten.
Ophelia kam es so vor, als wäre sie in einem bösen Traum gefangen, aus dem sie nicht aufwachen wollte. Sie war wie in Trance und hoffte die ganze Zeit über, dass das, was sie erlebten nur eine Art Vorab Zeremonie war. Der einzige Trost, der ihr blieb, war der, dass ihr Vater nicht mit dabei war, um sich mit stolzgeschwellter Brust die Krönung seiner jahrelangen Mühen anzusehen.
Zurück in der Kutsche, riss Mary nervös und verwirrt das Wort an sich und versuchte, eine belanglose Unterhaltung in Gang zu bringen. Erst als Raphael Ophelia einen Stoß in die Rippen versetzte, beteiligte auch sie sich an dem Gespräch. Sie wusste, dass ihr nichts übrig blieb, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Vor allem, weil Lady Cade am nächsten Morgen alles brühwarm herumerzählen würde.
Nachdem Lady Cade ausgestiegen war, senkte sich eisiges Schweigen über die Kutsche. Zum Glück waren es bis zum Reid’schen Stadthaus nur wenige Minuten. Was dann geschah, überstieg Ophelias Verstand um Längen. Die Kutsche hielt nicht nur an, um Mary abzusetzen, sondern Raphael scheuchte Ophelia gleich mit aus der Kutsche.
»Jetzt sieh zu, wie du damit klarkommst«, raunte er ihr zu, ehe er die Tür mit einem lauten Geräusch zuzog und die Kutsche weiterfuhr.
Wie zu Eis gefroren, stand Ophelia auf dem Gehsteig. Sie konnte sich nicht rühren,
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