Reid 2 Die ungehorsame Braut
mich nämlich gar nicht heiraten - genauso wenig wie ich ihn. Ich habe ihn bis aufs Blut gereizt, und die Gerüchte, die über unseren Köpfen hingen, haben das Übrige getan. «
Doch Mary schien nur eines gehört zu haben: »Was soll das
heißen du wolltest ihn gar nicht heiraten? «
Ich hätte es vielleicht gewollt, wenn Papa nicht darauf bestanden und Rafe mich nicht hintergangen hätte, aber... «
»Aber liebst du ihn denn? «
Die Frage traf Ophelia wie ein Blitz aus heiterem Himmel, hatte sie sich doch die ganze Zeit vor der Antwort gedrückt. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie kaum hörbar. »Ja und nein. Noch nie zuvor habe ich mich in der Gegenwart eines Mannes so wohl gefühlt. Ich hatte das Gefühl, nicht ständig aufpassen zu müssen, was ich sage, und er hat mir einige wunderbare Erlebnisse beschert, die ich ihm niemals vergessen werde. Er bringt das Kind, das Mädchen und die Frau in mir zum Vorschein, setzt Gefühle in mir frei, die ich selbst noch nie erlebt habe. «
»O je«, stöhnte Mary.
»Wieso seid ihr denn schon wieder so früh zurück? «, unterbrach Sherman Mutter und Tochter und sah vom oberen Treppenabsatz auf sie herab. »Und warum steht ihr plaudernd hier im Foyer herum? «
»Jetzt wird’s bunt«, raunte Mary Ophelia zu. »Sherman wird außer sich sein vor Wut, weil er die Trauung verpasst hat. «
Wenigstens etwas Gutes, das dieser desaströse Tag mit sich bringt, dachte Ophelia.
Kapitel zweiundvierzig
N achdem Raphael sich vergewissert hatte, dass die Flasche Rum in Reichweite stand, löschte er die Lampe neben dem Lesesessel. Das orangefarbene Glimmen des niedergebrannten Feuers war nun die einzige Lichtquelle seines Schlafzimmers. Er verfluchte sich, dass er die Flasche Brandy vor lauter Aufregung hatte fallen lassen und sich jetzt mit Rum begnügen musste. Vor allem, weil eine Flasche bei Weitem nicht ausreichte, um seine Gefühle und seine Gedanken zu ertränken.
Er hatte es getan, hatte Ophelia Reid zur Gemahlin genommen - gütiger Gott, sie hieß jetzt ja Ophelia Locke. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
Warum hatte er sich nicht, wie ursprünglich angedacht, einen Plan zurechtgelegt und ihn in die Tat umgesetzt, um aus der Verlobung herauszukommen? Es wäre doch so einfach gewesen. Er hätte nichts weiter tun müssen, als Gegengerüchte in die Welt zu setzen. Gerüchte über unüberbrückbare Differenzen. Hätte irgendjemand, der sie kannte, daran gezweifelt? Zum Teufel, nein.
Doch so sehr Raphael sich auch dagegen stemmte, ein winziger Teil seiner selbst wollte ihm weismachen, dass eine Heirat mit Ophelia auch ihre guten Seiten haben konnte. Der Rest von ihm fürchtete jedoch, ab sofort in einem Albtraum gefangen zu sein.
Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, seiner Haushälterin aufzutragen, alles für den Einzug der Hausherrin vorzubereiten, besann sich dann aber. Er wäre vollkommen verrückt, sich diese Xanthippe ins Haus zu holen. Was, wenn sie ihm zu nahe kam? Was, wenn seine Männlichkeit auf sie reagierte? Es war in jeder Hinsicht das Beste, wenn er sie mied. Wo stand zudem geschrieben, dass er mit der Frau, mit der er verheiratet war, auch Zusammenleben musste? Wenn seine Eltern sie nicht bei sich haben wollten, würde er eben ein anderes Zuhause für sie finden, solange er sie nicht bei sich aufnehmen musste.
Als Erstgeborenem und Titelerbe mangelte es ihm nicht am nötigen Kleingeld. Das Londoner Stadthaus gehörte mit zu jenen Besitztümern, die er bereits sein Eigen nannte, und er hatte keine Kosten gescheut, es nach seinem Geschmack herrichten zu lassen. Es war ein Männerhaus, perfekt eingerichtet für die Bedürfnisse eines Junggesellen, und war nichts für eine Frau, vor allem nicht für eine, die nichts anderes im Sinn hatte, als es vor lauter Wut zu zerstören. Er mochte das Haus und wollte nicht, dass es zerstört wurde. Es war Zeit für ein weiteres Glas Rum.
Schließlich dämmerte ihm, dass seine Gedanken in die Zusammenhangslosigkeit abglitten. Ursprünglich hatte er gehofft, dass der Alkohol ihm inneren Frieden bescheren würde, ehe er am Morgen der hässlichen Wahrheit ins Gesicht sehen musste, doch leider war diese Wirkung noch nicht eingetreten. Es war Zeit für ein weiteres Glas Rum.
Seine Heirat würde am Morgen in aller Munde sein. Nachrichten dieser Art verbreiteten sich rasend schnell. Er hatte keine Ahnung, wie er mit den Glückwünschen umgehen sollte -oder den Mitleidsbekundungen, je nach Fall. Am besten
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