Reigen des Todes
man fragen, in welcher Branche Sie tätig sind?«
Der Mann zückte eine Visitenkarte und stellte sich in aller Form vor. »Gestatten, Johann Schwarzer, Fotograf und Film-Fabrikant.«
»Popovic. Leutnant Hans Popovic. Vom k.u.k. Infanterieregiment N° 4.«
»Sie sind ein Edelknabe … Gratulation. Was für ein traditionsreiches Regiment! Herr Leutnant, darf ich Sie auf einen weiteren Barack einladen?«
»Ja, wenn Sie heute was zu feiern haben … sehr gern.«
Und während Schwarzer eine weitere Runde Schnaps bestellte, musterte Popovic sein Gegenüber. Der Fotograf und Film-Fabrikant hatte ein einnehmendes Äußeres sowie eine offene und freundliche Art. Popovic schätzte, dass er altersmäßig um ein paar Jahre älter als er selbst war. Über dreißig war er jedoch sicher nicht. Und trotzdem hatte er in seinem Leben schon einiges zustande gebracht. Film-Fabrikant! Alle Achtung. Wobei Popovic sich nichts Genaues unter dieser Berufsbezeichnung vorstellen konnte. Gleichzeitig überkam den Leutnant eine große Traurigkeit. Voll Selbstmitleid ließ er sein eigenes Leben und seine eher mäßigen Erfolge Revue passieren. Leutnant bei den Deutschmeistern, kein Geld, aber einiges an Schulden, keine Familie, keine Frau, nur eine obskure Liebesbeziehung mit einer ehemaligen Jugendfreundin. Schwarzer bemerkte natürlich die plötzliche Melancholie bei seinem Gesprächspartner. Da ihm nichts Besseres einfiel, orderte er noch eine Runde Schnaps. Gleichzeitig erzählte er voll Enthusiasmus: »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie imponierend meine neuen Ateliers sind. Sie liegen gleich hier ums Eck am Arenbergring Numero 15. Wunderbar helle Dachateliers, die sich ideal für die Herstellung von Films 27 eignen. Sie werden es nicht für möglich halten, wie mich diese neue Lokalität inspiriert …«
Und weil er gerade so in Fahrt war, bestellte er eine nächste Runde Barack. Der immer weiter steigende Alkoholpegel im Blut milderte Hansi Popovics Melancholie. Und da er nicht nur schweigsam dasitzen wollte – das könnte Schwarzer ihm auch als Desinteresse beziehungsweise Unhöflichkeit auslegen – stellte er folgende Frage: »Welche Art von Fotos und Films produzieren Sie denn?«
Plötzlich war Schwarzer still. Statt sofort eine Antwort zu geben, strich sich der Film-Fabrikant einige Male über sein elegantes, kurz gestutztes Oberlippenbärtchen. Erst dann antwortete er: »Es sind Films für Kenner und Genießer. Films, die sich gerade auch in Ihren Kreisen, Herr Leutnant, größter Beliebtheit erfreuen. Es sind so genannte pikante Herrenabend-Films.«
»O là là«, antwortete Popovic, da ihm nichts Gescheiteres einfiel. Gleichzeitig erinnerte er sich voll Vergnügen an die Film-Vorführungen bei einem ›Herrenabend‹ im Kinematografentheater 28 am Währinger Gürtel. Die pikanten Filmszenen mit gänzlich unbekleideten Damen und Mädeln hatten bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das war doch wirklich ein unglaublicher Zufall, dass er den Hersteller solcher Filme kennenlernte … Er konnte es fast nicht glauben, dass dieser gepflegte und eloquente Herr an seinem Tisch sein Geld mit – pardon! – Sauereien verdiente. Eine äußerst interessante Bekanntschaft! Die trüben Gedanken bezüglich Steffi Moravec waren wie weggeblasen. Stattdessen beflügelten nackte weibliche Schenkel und Popos sowie Busen und Schamhügel die Fantasie des Deutschmeister-Leutnants. Ob er vielleicht sogar einmal bei der Entstehung eines solchen Films dabei sein könnte? Eine Vorstellung, die seinen Gemütszustand ganz besonders aufhellte und ihn zum Bestellen einer Runde Barack veranlasste.
Gegen elf Uhr abends verließen die beiden Tischnachbarn schließlich schwankenden Schrittes die Gaststätte ›Zum Alten Heller‹. Aus der Zufallsbekanntschaft war eine Sauffreundschaft geworden, die darin gipfelte, dass beim Abschied Johann Schwarzer dem Popovic folgendes Angebot machte: »Mein lieber … mein lieber Herr Leutnant … Schaun S’ doch bei mir in der Firma vorbei, wann immer Sie Lust haben … Fasangasse 49 … Nicht vergessen … weil auf den Arenbergring werd ich erst umziehen …«
Popovic bedankte sich lallend für die Einladung. Volltrunken wankte er heim Richtung Rennwegkaserne – ein Weg, für den er normalerweise zwanzig Minuten gebraucht hätte. In seinem Zustand jedoch langte er erst knapp vor Mitternacht beim Kasernentor an. Das machte aber nichts. Gar nichts. Denn während des ganzen langen Heimwegs
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