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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Inspector seinen Tarockdreier souverän heimspielte 45 , erzählte der Cafetier, dass die Moravec aus sehr ärmlichen Verhältnissen hier in Gumpendorf stamme. Sie war im hiesigen Elendsviertel, im Ratzenstadl, aufgewachsen und hatte schon in jungen Jahren ihre Eltern verloren. Ihr einziger lebender Verwandter war ihr Bruder. Ein Soldat, der angeblich in Galizien stationiert sei. Diese Auskunft machte Nechyba ganz unglücklich, obwohl er gerade einen Batzen Geld gewonnen hatte. Lustlos tarockierte er weiter, bis der Scharfrichter Lang plötzlich eine Frage an Kratochwilla stellte. »Sagen S’, Meister, wie sind Sie eigentlich nach dem Abgang der Moravec zu der Neuen, der Schmoll, gekommen? Weil ein fesches Mädel ist das sehr wohl auch!«
    Der Cafetier schmunzelte. »Deshalb hab ich sie ja auch sofort eingestellt, als die Steffi sie mir als mögliche Nachfolgerin vorgestellt hatte. Die beiden sind nämlich Jugendfreundinnen. Oder so was in der Art.«
    Nechyba ließ mitten im Spiel die Karten sinken und grantelte Kratochwilla an. »Und das erzählen S’ jetzt erst? Ja Kruzitürken! Wenn das eine Jugendfreundin der Moravec ist, werd ich sie mir sofort vorknöpfen.« Nur widerwillig spielte Nechyba die laufende Partie zu Ende, zahlte seine Konsumation und ging daraufhin schnurstracks in Richtung Sitzkassa. Dort übergab Wilhelmine Schmoll gerade die Tageskassa an Frau Kratochwilla. Nechyba grüßte die beiden Frauen und kam sofort zur Sache. Ziemlich grob machte er das Fräulein Schmoll darauf aufmerksam, dass sie sich schon längst als Zeugin im Mordfall Vestenbrugg bei der Polizei hätte melden müssen. Das Mädel wurde leichenblass und stotterte, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei. Als Nechyba sie darauf aufmerksam machte, dass die Moravec seit Wochen polizeilich gesucht wurde, fing Wilhelmine Schmoll zu weinen an. Mit tränenerstickter Stimme erzählte sie nun, dass sie das überhaupt nicht gewusst habe und dass ihr das schrecklich leidtäte.
    »Übrigens hat die Steffi erst unlängst eine Zeit lang bei mir und meiner Mutter daheim gewohnt. Weil s’ aus ihrer Wohnung rausgeflogen ist und kein Dach überm Kopf gehabt hat. Eines Morgens ist sie dann Knall auf Fall mit ihrem Gepäck verschwunden. Zum Abschied hat mir die Steffi nur g’sagt, dass sie einen sehr begüterten Herren kennengelernt hat, der ihr Arbeit und Unterkunft biete. Sie hat auch noch g’sagt, dass sie sich bei mir melden werde, sobald sie eingearbeitet ist. Ich hab seitdem allerdings nix mehr von ihr gehört.«
     
    Mit einer Riesenwut im Bauch stapfte der Inspector die kurze Strecke vom Sperl zu sich nach Hause. In seiner Wohnung angekommen, ließ er sich mit einem Seufzer der Erschöpfung auf einen Küchensessel fallen und starrte minutenlang auf den Linoleumfußboden. Schließlich ging ein Ruck durch den mächtigen Mann. Er stand auf und verließ mit entschlossenem Gesichtsausdruck die Wohnung. Nein! Heute Abend würden er und seine Frau nicht daheim essen.
    Nach diesem unglaublichen Tag hatte er sich etwas Entspannung und Abwechslung verdient. Seine Majestät, der Kaiser, hatte ihn belobigt und ihm am Ende sogar die Hand geschüttelt. Und dann die ganze Geschichte mit der Moravec … Das Luder schien doch glatt irgendeinen Mäzen aus altem Adel gefunden zu haben. Ein echter gesellschaftlicher Aufstieg war das. Schließlich stammte Vestenbrugg nur aus dem böhmischen Landadel und war ein nebbicher Freiherr. So wie sein Vorgesetzter, der Baron Gorup von Besanez. Aber mithilfe des Polizeirats Gayer würde er ihr vielleicht auf die Schliche kommen. Und als er die Stiegen zur Wohnung der Hofratsfamilie Schmerda hinaufkeuchte, malte er sich aus, wie er die Moravec in einem prächtigen Barockpalais verhaften würde. Pünktlich um acht Uhr holte er dort seine Frau, die bei den Schmerdas als Köchin arbeitete, ab. Obwohl Aurelia Nechyba zuerst protestierte – sie hatte nur ihr einfaches Alltagsgewand an – überredete Joseph Maria sie, mit ihm Abendessen zu gehen. Und so ließen sie diesen schönen warmen Maitag im Gastgarten des Gasthauses Zur Goldenen Glocke ausklingen. Als seiner Frau ein tadelloser Tafelspitz und ihm selbst ein herrliches Beinfleisch serviert wurde, war für ihn die Welt wieder in Ordnung. Sein Fleischstück, das von der Rinderrippe stammte, war von einer ordentlichen Portion Cremespinat umgeben und von zwei Gupf gerösteten Erdäpfeln begleitet. Als er Messer und Gabel in die Hand nahm und sich dem Fleisch näherte, fing

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