Reigen des Todes
Konfekt, eine Unzahl von neuen, maßgeschneiderten Kleidern und natürlich auch kostbare Schmuckstücke. Wobei er ihr Letztere nur zum Teil schenkte. Denn die alten, wirklich kostbaren Stücke aus dem Familienschatz waren sakrosankt. Die durfte sie nur tragen, zum Beispiel an Abenden wie heute. All das ging der Moravec durch den Kopf, als sie schon längst in der Loge saß und Leo Falls eingängigen Melodien lauschte. Hin und wieder wippte sie mit dem Fuß im Rhythmus mit, achtete jedoch sonst nicht weiter auf die Musik oder die Handlung. Vielmehr hing sie ihren Träumen nach und beobachtete zwischendurch mit dem Opernglas die hochgestellten Herrschaften in den anderen Logen sowie das bürgerliche Publikum unten im Parkett. Natürlich machte sie sich auch über die finanzielle Absicherung ihrer Zukunft Gedanken. Sie war sich nicht sicher, was ihr Collredi finanzieren sollte. Vielleicht ein Kaffeehaus – als ehemalige Sitzkassierin kannte sie das Geschäft – oder einen eigenen Modesalon? Oder vielleicht gar ein Nachtcafé mit Séparées, in dem betuchte Herren sich mit jungen Mädeln vergnügen konnten? Letzteres war zweifellos das krisensicherste Geschäft … Oder sollte sie gar aufs Ganze gehen und Collredi zwingen, sie zu heiraten? Wobei dieser Plan unbekannte Risiken beinhaltete. Schließlich würde sie sich damit die gesamte Collredische Familie sowie den alten Adel der Reichshaupt- und Residenzstadt zu Feinden machen. Collredis adelige Verwandte und Freunde nahmen sie naserümpfend als Mätresse in Kauf. Niemals würde diese arrogante adelige Bagage es jedoch akzeptieren, wenn sie Mitglied der Familie werden würde. Ihr war ganz klar, dass Collredi und sie in diesem Fall gemiedene Außenseiter wären. Denn es war schlicht undenkbar, dass ein Mädel aus dem Ratzenstadl eine Markgräfin Collredi werden könnte. Insofern tendierte Steffi am ehesten zu der Kaffeehaus-Variante. Obwohl, ein kleines, feines Hotel in der Vorstadt wäre auch nicht zu verachten … Das war überhaupt eine Königsidee! Und so sprang die Moravec beim aufbrandenden Schlussapplaus wie von einer Feder getrieben auf und klatschte heftig. Ihr Beifall galt aber nicht den Darstellern und auch nicht dem Stück, sondern einzig und allein ihrer Eingebung, Hotelbesitzerin zu werden.
Am Arm ihres Gönners schwebte die Moravec über die Treppe hinunter ins Vestibül. Leicht irritiert bemerkte sie, dass sich dort eine Gruppe Offiziere versammelt hatte. Leider kannte sie mehrere von ihnen. Und zwar besser, als ihr lieb war. Vor allem der Hauptmann Korenyi starrte sie unverschämt aus seinen von übermäßigem Alkoholgenuss geröteten Augen an. Als sie grußlos an ihm vorbeischritt, sah sie aus den Augenwinkeln, wie sich Korenyis Mund spöttisch verzog. Lauthals sagte er zu seinen Kameraden: »Da schau her, die kleine Moravec aus dem Sperl … Die hat sich doch glatt einen Markgrafen geangelt. Die muss ja ganz erstaunliche Qualitäten haben.«
Diese Bemerkung mündete in schallendem Gelächter. Steffi Moravec wurde knallrot und zog schamhaft den Kopf ein. Ihr Begleiter löste sich mit einem Ruck von ihr. Verblüfft sah sie, wie er am Absatz kehrtmachte, auf die Offiziersgruppe zutrat und Korenyi anherrschte: »Was erlauben Sie sich, meine Begleiterin öffentlich zu desavouieren?« Ohne eine Antwort abzuwarten, gab er dem Hauptmann eine schallende Ohrfeige. Danach zog er eine Visitenkarte aus dem Frack und sprach mit lauter Stimme in die Stille, die sich plötzlich im Vestibül ausbreitete: »Ich stehe zu Ihrer Verfügung, Herr Hauptmann!«
Darauf wandte sich Graf Nikolaus Collredi ab, bot der betreten dreinschauenden Steffi seinen Arm an und verließ Seite an Seite mit ihr das Theater an der Wien.
II/3.
Die Moravec war nervös und gereizt. Wie ein wildes Tier, das man in einen Käfig gesperrt hatte, irrte sie durch die Zimmerfluchten des Collredischen Palais. Wo immer sie auftauchte, zogen die Bediensteten die Köpfe ein und hofften, nur nicht von ihr angesprochen zu werden. Ihre Herrschsucht und ihre Härte dem Personal gegenüber waren mittlerweile sprichwörtlich. Und wenn sie nun mit finsterem Blick durch das Palais hastete, war es ratsam, ihr auszuweichen. Nein, Freunde hatte die Moravec in dem riesigen Haus bei Gott keine. Der Grund dafür war die Tatsache, dass es die einfachen Leute nicht leiden konnten, wenn eine von ihresgleichen den Aufstieg in die höchste Gesellschaft schaffte. Außerdem strahlte Steffi Moravec eine menschliche
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