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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Gelegenheit, vor einer großen Öffentlichkeit seine Werke zu präsentieren. Er bestellte eine weitere Runde Bier und zog aus seiner Jacke eine Rolle mit Drucken heraus. Vorsichtig löste er das Band, das die Rolle zusammenhielt, und strich dann liebevoll die Blätter am Wirtshaustisch glatt. Steffi beugte sich zu ihm, sodass er ihre Körperwärme spürte. Was sie sah, faszinierte sie. Eine Serie von sehr dunklen, farbkräftigen Lithografien, die Szenen wie aus Albträumen darstellten. Kokoschka hatte einen roten Schädel bekommen und flüsterte: »Da schau! Darüber regen sich die Kritiker gerade auf. Meine Lehrer an der Kunstgewerbeschule und eine Handvoll Leute von den Wiener Werkstätten finden die Bilder sehr gut. Das sind übrigens die ersten Druckabzüge von meinem Buch, das ich auf der Kunstschau präsentiere.«
    »Das g’fallt mir. So was hab ich auch schon geträumt …«
    Kokoschka schmiegte seinen harten, muskulösen Körper an Steffis Rundungen und keuchte: »Genau das ist es … Weißt, wie es heißt, das Buch? Die träumenden Knaben!«
    Steffis Hand wanderte die Innenseite seines Schenkels hinauf. Kokoschka fragte sie mit flackerndem Blick: »Wo übernachtest du heute?«
    »Weiß nicht …«
    »Ich hab eine Einzelhaftzelle, einen winzigen Atelierraum. Dort kannst heut Nacht bleiben.«
    Steffis Hand verstärkte ihren Druck, während sie mit der anderen das Krügel packte und einen langen Zug von dem molligen Budweiser trank. Kokoschka soff sein Krügel leer und bestellte noch eine Runde. Als es ans Bezahlen ging, musste die Moravec ihm aushelfen, da er nicht genügend Geld einstecken hatte. Aber das war ihr wurscht. Endlich hatte sie wieder einmal einen sehnigen jungen Männerkörper in den Fingern. Ein Körper, mit dem ihr nicht langweilig werden würde. Und der ihr ein Dach über dem Kopf – zumindest für eine Nacht – gewährleistete.

V/3.
    »Hallo! Gemma, aufstehen! Was ist denn?« Er schubste die auf der Bank zusammengekrümmt liegende Gestalt. Dies geschah nicht brutal, sondern sanft und besorgt. Irgendwie hatte er so eine Ahnung, dass die Elendsgestalt sein alter Bekannter Schöberl sein könnte. Und da der Körper wie leblos dalag, hatte er die Befürchtung, dass den Schöberl der Teufel geholt haben könnte. Doch diese Sorge war unbegründet. Die Gestalt drehte und streckte sich, rieb sich den Schlaf aus den Augen und gab eine donnernde Flatulenz von sich. Als Schöberl in seinem Dusel den Inspector wahrnahm, stierte er ihn zuerst an und setzte sich dann mit einem Ruck auf.
    »Ah, der Herr Polizeipräsident persönlich. Ich entschuldige mich, dass ich hier die öffentliche Ordnung störe, indem ich auf der Bank eingeschlummert bin.«
    »Red’ net so einen Blödsinn, Schöberl!«, brummte Nechyba. »Komm, steh auf, gemma was trinken!«
    »Laden S’ mich ein? Na, wenn das so ist, stehe ich gerne zu Diensten.« Wankend stand Schöberl auf. Plötzlich knickten ihm die Knie ein. Geistesgegenwärtig packte Nechyba ihn unter der Achsel und fing ihn auf.
    »’tschuldigen. Mir ist ganz schwarz vor den Augen.«
    »Ist schon gut, halt dich an bei mir. Du bist ja ganz wackelig auf den Beinen. Wann hast denn das letzte Mal was gegessen?«
    Nach einer kurzen Denkpause stotterte Schöberl: »Is net so schlimm. Hin und wieder ess ich eh was. Und sonst ernähre ich mich vom Alkohol.«
    Nechyba lenkte seinen Schritt zum nächstgelegenen Gastgarten, wo die Hölle los war – so wie im gesamten Prater. Schließlich fanden sie noch zwei Sitzplätze, wo sie sich niederließen. Nechyba rief mit donnernder Stimme den Kellner herbei und orderte zwei Teller Rindsuppe mit Frittaten. Als sie die Suppen im Magen hatten, bestellte er zwei Krügeln Bier sowie zweimal Gulasch. Nachdem sie auch das aufgegessen hatten, orderte Nechyba noch eine Runde Bier. Zufrieden aufatmend lehnte er sich in seinem Sessel zurück und sagte: »Das war ein Tag …«
    Und dann erzählte er dem Schöberl von seinem Einsatz beim Kaiser-Huldigungs-Festzug. Er hatte für ihn am Vortag um vier Uhr nachmittags, als der Wecker läutete und ihn aus einem Mittagsschläfchen riss, begonnen. Eine halbe Stunde später war er dann bereits zu Fuß unterwegs zur Rotunde 50 . Dort kam er um halb sechs Uhr abends an, um seinen Dienst anzutreten. Nechybas Aufgabe war es, in der Nacht vor und am Tag des Festzuges in der Rotunde und um sie herum für Ordnung zu sorgen. Dafür musste er eine Sonderschicht, die vierundzwanzig Stunden dauerte, einlegen. Zu

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