Reigen des Todes
zahlreiche Bedienstete des gräflichen Haushalts, die ihr allesamt den Weg versperrten. Vor dieser Menschenmauer blieb sie stehen und schrie: »Seid ihr alle narrisch g’worden? Das ist ja die reinste Revolution! Ich werde die Sicherheitswache rufen!«
Da kam Bewegung in die Menschenmauer. Sie wich jedoch nicht zurück, sondern ließ nur zwei Personen durch: Den Verwalter und die junge Gräfin. Beide waren sehr ernst und blass. Bohumil Jezek räusperte sich und sprach zur Moravec. »Ich muss Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass Seine Exzellenz, Graf Nikolaus Collredi, heute Vormittag infolge einer Verletzung, die ihm bei einem Duell zugefügt wurde, verstorben ist. Seine einzige Tochter und alleinige Erbin, Ihre Exzellenz Markgräfin Sophie Collredi, übernahm bis zur Testamentseröffnung die Verantwortung für und die Verfügungsgewalt über alle Güter der Familie. Kraft dieser ihrer Kompetenz verfügte sie, dass das Fräulein Moravec des Hauses verwiesen werde. Wir haben die persönlichen Sachen des Fräulein Moravec in zwei Koffer packen lassen. Diese stehen bereits unten neben dem Eingangstor. Ich bitte nun das Fräulein Moravec, keine weiteren Umstände zu machen und umgehend dieses Haus zu verlassen. Ansonsten sehe ich mich genötigt, die Sicherheitswache zu verständigen und das Fräulein wegen Hausfriedensbruchs abführen zu lassen.«
III/3.
»Ich sollte öfters ins Kaffeehaus gehen«, knurrte Nechyba, als er mit weit ausholenden Schritten die Engelgasse zum Naschmarkt hinuntereilte. Es war ja wirklich wie verhext. Wochenlang suchte er die Steffi Moravec, die sich einem Phantom gleich in Luft aufgelöst zu haben schien. Dann ging er eines Nachmittags ins Café Sperl und schon schien der Fall gelöst zu sein. Dort hatte er den Hauptmann Korenyi getroffen, den er ja vom Tarockieren kannte. Korenyi hatte ihn eingeladen, an seinem Tisch Platz zu nehmen und mit ihm ein Stamperl Slibowitz zu trinken. Nachdem sie den Schnaps hinuntergekippt hatten, erzählte ihm der Hauptmann, dass dies sein Abschied von Wien sei. Er habe nämlich schon den Marschbefehl nach Bosnien-Herzegowina in der Tasche. Nechyba bedauerte dies und hatte seinerseits den Korenyi auf ein Stamperl Trebernen eingeladen. Ein Oberst kam von der benachbarten Kriegsschule ins Sperl, erblickte den Hauptmann, trat an dessen Tisch, klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Bravo, Korenyi! Hast die Ehre von den Edelknaben und von uns allen verteidigt. Hast dich gut geschlagen. Bravo!«
Korenyi war über dieses Lob gar nicht glücklich. Er stürzte seinen Trebernen hinunter und begann, Nechyba den Grund für seine Versetzung zu erzählen. »A blöde G’schicht, das Ganze. Aber wenn mich einer ohrfeigt, vor allen Leuten im Foyer des Theaters an der Wien, muss er halt damit rechnen, dass ich ihn totschieß. Auch wenn er ein Markgraf aus uralter Familie ist. Normalerweise müsst ich jetzt eingesperrt werden. Aber da Duelle bei uns von allerhöchster Stelle toleriert werden, weil es ja um die Ehre der ganzen Armee geht, bin ich nur verwarnt und strafweise nach Bosnien versetzt worden. Inoffiziell haben s’ mir alle gratuliert. Mein Regimentskommandant, der Oberst Daler, hat gemeint, dass er mich, nachdem Gras über die Sache gewachsen ist, wieder nach Wien zurückholen würde. Na ja. Man wird sehen. Ich hoffe, Sie verhaften mich jetzt nicht, Herr Inspector?«
»Das fallt mir im Traum nicht ein! Wie kommen S’ denn darauf? Wenn mir einer öffentlich eine Watschen 47 gibt, hau ich ihm eine Wendeltreppe in den Schädel. Wurscht, ob es ein Hochwohlgeborener oder ein Griasler ist. Was war eigentlich der Anlass für die Ohrfeige?«
»Ah, das hätt’ ich jetzt glatt vergessen zu erzählen! Dabei wird Sie gerade das besonders interessieren. Weil Sie wollten doch unlängst wissen, wo die kleine Moravec steckt. Nun, das kann ich Ihnen ganz genau sagen: Im Palais des Grafen Collredi. Das kleine Hurenmenscherl hat sich nämlich Seine Exzellenz angelacht. Und weil ich mich im Foyer des Theaters an der Wien ein bisserl zu laut darüber mokiert hab, hat mir Exzellenz öffentlich eine runtergehaut.«
Nechyba war, als er das gehört hatte, fast die Kaffeeschale aus der Hand gefallen. Da suchte er in der ganzen Stadt verzweifelt die Moravec und sie wärmte inzwischen dem Grafen Collredi das Bett. Er hielt es keinen Augenblick länger im Kaffeehaus aus. Donnernd rief er: »Zahlen, bitte!«, schüttelte dem verdutzten Hauptmann die Hand, wünschte ihm »Alles
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