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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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das alles nicht auf Wunsch Seiner Allerhöchsten Kaiserlichen Majestät statt. Nur weil bestimmte Gruppen des Adels sowie der Bürgermeister Lueger und seine Stadträte diese Veranstaltung wollten, hatte der Kaiser letztendlich eingewilligt. Für Nechyba persönlich war das alles nur Protz und Prunk – ein Wahnsinnsaufwand für nichts und wieder nichts. Wenn er an all die erbärmlichen Gestalten dachte, die in Wiens Kanälen und Elendsquartieren ihr Leben fristeten, kam ihm das Speiben 53 . Für das Geld, das hier für den pompösen Festzug verschwendet wurde, hätte man Tausenden Menschen Quartier und Essen geben können …
     
    Er für sich fütterte nun zumindest den Schöberl. Der arme Teufel war ein Schatten seiner selbst, vollkommen dürr und klapprig. Und während Nechyba dem Schöberl zusah, wie er nach dem Gulasch auch noch eine Portion Buchteln 54 wegputzte, fischte er eine Virginier aus der Innentasche seines Sakkos und zündete sie genussvoll an. Nachdem Schöberl auch die Nachspeise gegessen hatte, bot er ihm ebenfalls eine Virginier an. Der Griasler nahm sie dankend. Nechyba gab ihm Feuer und erzählte ihm seine Sorgen: Von dem Mord an dem Baron Vestenbrugg und über seine verzweifelte Suche nach der Moravec. Er bat Schöberl wiederum, falls die Moravec – was unwahrscheinlich war – im Griasler-Milieu auftauchen sollte, ihn sofort zu verständigen. Nachdem er dem Schöberl die Moravec ganz genau beschrieben hatte, berichtete er ihm dann von der Kinderhuldigung in Schloss Schönbrunn und von seinem Einsatz als Leibwächter Seiner Apostolischen, Allerhöchsten Majestät. Vor Staunen bekam Schöberl ganz große Augen.
    »Und Sie sind wirklich neben Seiner Majestät g’standen? So wie Sie jetzt neben mir sitzen?«
    Grinsend antwortete Nechyba: »Gell, da schaust, Schöberl …«

VI/3.
    Oberwildling … So hatte der renommierte Kunstkritiker Ludwig Hevesi den Kokoschka genannt. Darüber musste Steffi Moravec schmunzeln, als sie gerade Stöße von Kaffeehausgeschirr abwusch. Und während sie in einem Schaffel 55 mit heißem Wasser die Kaffeeschalen sauber schrubbte – eingetrockneter Kaffee ist äußerst widerspenstig beim Reinigen! – dachte sie mit durchaus zärtlichen Gefühlen an den Oskar. Wie ein Tier war er nach den drei Krügeln Budweiser in seinem Malkammerl über sie hergefallen. Solche Eskapaden hatte sie nicht einmal mit dem Hansi Popovic erlebt. Was das Faszinierende an ihrem neuen Liebhaber war: dass sich bei ihm Wildheit mit Zärtlichkeit paarte. Ein hochsensibler Bub, der Frauen irgendwie als Spielzeug begriff, mit dem man ganz nach Belieben vorsichtig, aufgeregt, liebevoll oder wild umgehen konnte. Das brachte die Moravec dazu, sich über sich selbst zu wundern. Als Spielzeug hatte sie sich noch nie begriffen. Das war eigentlich immer die Rolle der Männer, mit denen sie zusammen war. Die waren alle Wachs in ihren Händen, das sie nach Lust und Laune formen konnte. Und mit dem sie selbst gerne spielte …
    Andererseits hatte der Oskar auch eine fürsorgliche Seite. Nicht nur, dass er ihr für mehrere Tage in seinem Malkammerl Quartier gewährt hatte. Er hatte ihr auch eine Arbeit beschafft. Als nämlich im Kaffeehaus der Kunstschau die Küchenhilfe krank geworden war, setzte er Himmel und Hölle in Bewegung, dass sie diese Arbeit bekam. Und ein Quartier hatte er ihr auch verschafft. Bei einer entfernten Verwandten hatte sie einen Bettgeherplatz bekommen. Dort durfte sie nun gegen ein geringes Entgelt von neun Uhr abend bis sieben Uhr in der Früh auf einer Zimmercouch übernachten.
     
    Und nun stand sie da und wusch zehn Stunden pro Tag schmutziges Geschirr ab. Vor einigen Wochen hatte sie noch in einem Barockpalais residiert und für solche niedrigen Arbeiten eine Schar von Bediensteten zur Verfügung gehabt. Steffi seufzte. Irgendwie musste sie es schaffen, aus diesem Elend herauszukommen. Sie wusste nur nicht wie.
     
    Zwei Wochen später reichte es ihr endgültig. Von der ungewohnten Arbeit tat ihr schon seit Tagen das Kreuz weh. Ihre Hände waren rot, aufgequollen und rissig. Und ihre Füße fühlten sich von dem stundenlangen Stehen groß und platt wie Speiseteller an. Zu allem Überfluss hatte sie auch mit Kokoschka gestritten, als er sie vor wenigen Tagen abends nach der Arbeit noch zu einem Künstlerfest mitnehmen wollte. Da sie todmüde war und nur das dringende Bedürfnis hatte, sich niederzulegen und zu schlafen, fauchte sie ihn böse an. Erstmals lernte Kokoschka

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