Reigen des Todes
tranken, erzählte Aurelia ihrem Gatten den neuesten Tratsch aus der Familie Schmerda.
»Stell dir vor, der Alphonse, der auf Wunsch seines Vaters Jus studiert, möchte das Studium abbrechen und Schauspieler werden. Na, das hat heute eine Szene gegeben …und als der Bub dem gnädigen Herren widersprochen hat, hat der ihm zwei fürchterliche Ohrfeigen gegeben. Das hat so gescheppert, dass ich es bis in die Küche gehört hab. Die gnädige Frau und Alphonses Schwestern sind daraufhin weinend auf ihre Zimmer gegangen, während der Bub aus der Wohnung gestürmt ist und die Tür hinter sich zugeschlagen hat.«
»Ja, der Alphonse Schmerda. Der hat von mir auch einmal Watschen bekommen. Wenn ich so hör, wie’s dem daheim geht, tut mir das direkt leid. Der Bub hat einen guten Kern.«
»Irgendwann werd ich den Mund nicht halten können und dem gnädigen Herrn meine Meinung sagen. Der Alphonse ist jetzt schon zwanzig. Das gehört sich nicht, dass der Vater ihn immer noch schlägt.«
»Zur Bühne hat es ihn übrigens immer schon hingezogen. Ich erinnere mich, dass der Alphonse damals wie narrisch für die etwas überwuzelte 91 Soubrette Henriette Hugó geschwärmt hat. Was aus der wohl geworden ist?«
»Das kann ich dir genau sagen! Das hat mir unlängst die Landerl erzählt. Stell dir vor, die hat es tatsächlich geschafft, dass ihr langjähriger Galan, der Wenzel Beinstein, sie letztes Jahr geheiratet hat. Kurz nach der Hochzeit hat er einen Schlaganfall erlitten, sodass er kaum mehr gehen kann. Die beiden sind nach Meran übersiedelt, wo sie mit verschiedenen Kuranwendungen versuchen, seine Leiden zu lindern. Außerdem ist dort das Klima milder. Ja, ja, Meran. Dort würd ich auch gerne einmal hinfahren.«
»Weißt was, Aurelia? In zehn Jahren, wenn ich in Pension geh, dann fahr ma dort hin.«
Sie lachte und gab dem dicken Nechyba, diesem Kindskopf, ein Busserl. Nachdem beide gemeinsam das Geschirr abgewaschen hatten, fielen sie todmüde ins Bett. Nechyba schlief sofort laut schnarchend ein. In seinen Träumen aber brach das ins Unterbewusstsein verdrängte Geschehen des heutigen Tages durch. Er sah sich plötzlich splitternackt in einem Teich baden. War ihm das schon peinlich, so wurde die Peinlichkeit kurze Zeit später dadurch erhöht, dass ein nacktes weibliches Wesen im Schilfgürtel des Teiches auftauchte und ebenfalls baden ging. Der Inspector – bis zur Nasenspitze im Wasser – traute sich kaum zu atmen, da er in seinem pudelnackten Zustand nicht von dem wildfremden Mädchen entdeckt werden wollte. Die Fremde aber planschte und kicherte so laut, dass schließlich weitere Menschen am Ufer des Teiches erschienen. Diese empörten sich über das unschickliche Betragen der Wassernixe, die nun immer deutlicher die Züge der Steffi Moravec annahm. Ihre gewaltigen Brüste hüpften wie aufgeblasene Bälle über die Wasseroberfläche. Die Zuschauer holten schließlich einen Sicherheitswachebeamten, der sich die Hosenbeine aufkrempelte, ins Wasser stieg und versuchte, das freche dralle Mädel festzunehmen. Dabei entdeckte er den nackten Nechyba. Der wusste sich nicht anders zu helfen, als an das gegenüberliegende Ufer zu schwimmen und dort pudelnackig das Weite zu suchen. Verfolgt von den grölenden Zuschauern sowie von dem Sicherheitswachebeamten, der sehr schnell lief und immer näher und näher kam …
Schweißgebadet wachte Nechyba auf. Anschließend wälzte er sich ziemlich lange schlaflos hin und her. Die Tatsache, dass ihn sein Unterbewusstsein zum Hauptdarsteller eines Abenteuers gemacht hatte, das wie ein pikanter Herrenabend-Film ablief, genierte ihn sehr.
VIII/4.
Das milde Licht der Morgendämmerung weckte ihn. Vorsichtig, um nicht an einen schlafenden Leidensgenossen oder an irgendwelche Steine anzustoßen, drehte er sich zur Seite. Doch nichts und niemand leistete ihm Widerstand. Im Gegenteil: Rundum war herrlich viel Platz, sodass er sich auf den Rücken legen und genussvoll strecken konnte. Dieses Strecken vertrieb die bösen Erinnerungen an die Schlafstätten in den Kanälen von Wien. Schöberl schlug die Augen auf und registrierte mit großer Zufriedenheit, dass er in einem richtigen Bett lag. Ja, ja, der gnädige Herr ließ sich nicht lumpen. Mit dem Umzug in das neue Atelier hatte Johann Schwarzer den Schöberl als Hausknecht angestellt und auch behördlich angemeldet. Dadurch bekam Schöberl ein Dienstbotenbuch und verfügte damit wieder über ordentliche Papiere. Er war in die
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