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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hatte er sich aus den Anzeigenteilen der Zeitungen zusammengesucht. Da es sich bei diesen Betrieben meist um Wanderkinos handelte, die heute da und morgen dort ihre Zelte aufschlugen, schickte er gleich am nächsten Morgen einen Jungredakteur los. Dieser hatte die Kinematografen-Betreiber nach einem Herrenabend-Film mit dem Thema Hypnose zu befragen. Und sieh da, der Jungspund war schnell fündig geworden: Im Prater machte gerade ein Wander-Kinematograf Station, der laut Auskunft seines Besitzers einen ganz neuen Herrenabend-Film mit dem Titel ›Die Macht der Hypnose‹ zeigte. All das hatte er Nechyba noch am selben Tag berichtet, als sie einander im Landtmann trafen.
    »Also dann!«, hatte er zu Nechyba gesagt, »gemma morgen ins Kinematografentheater und schau ma uns pikante Herrenabend-Films an.«
    Nechyba war bis über beide Ohren rot geworden und einer der Kellner, der zufällig mitgehört hatte, machte folgende Bemerkung: »Pikante Herrenabend-Films schauen Sie sich an? Na, da müssen mir der Herr Redakteur und der Herr Inspector aber nachher ganz genau erzählen, wie pikant die waren …«
    Goldblatt hatte das Gefühl gehabt, dass Nechyba vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre. Er war von Nechyba dermaßen grimmig angestiert worden, dass er Angst bekam, dieser würde ihm den Schädel einschlagen. Betont ruhig hatte er seinen Kaffee geschlürft und beiläufig bemerkt: »Sie brauchen sich doch nicht zu genieren, Nechyba. Wir sind erwachsene Männer. Und für genau die werden solche Films gedreht. Außerdem gehen wir ja nicht aus reiner Lust an der Freud dorthin, sondern streng beruflich. Weil wir uns erstens überzeugen müssen, dass das wirklich die Moravec ist, die da mitspielt. Und zweitens, falls sie es tatsächlich ist, dass wir schleunigst die Produktionsfirma finden, die sie auf Zelluloid gebannt hat. Das wäre nämlich seit Wochen die erste wirklich heiße Spur.«
    Nechyba hatte ihn weiter böse angefunkelt und schließlich geknurrt: »Das ist alles vollkommen korrekt, Herr Goldblatt. Aber deswegen müssen Sie das nicht allen Leuten hier im Landtmann auf die Nase binden.« Und vor lauter Zorn hatte Nechyba mit der Faust auf die Marmorplatte des Kaffeehaustischs gedroschen. Es hatte gewaltig gescheppert, der Kaffee in den Schalen und das Wasser in den Gläsern war übergeschwappt, sodass es eine Riesenschweinerei gab.
    »Reißen S’ Ihnen ein bisserl zusammen, Nechyba. Jetzt schaun wirklich alle Leute. Sogar der Komponist Goldmark, der gerade sein Nachmittagsschlaferl gehalten hat, ist durch den Krach aufgewacht.«
     
    Daran musste Goldblatt denken, als er neben dem schweigsamen Nechyba in dem bis auf den letzten Platz ausverkauften Zelt saß und auf den Beginn der Vorführung wartete. Endlich erklomm ein Pianist das Podium, verbeugte sich und begann zu spielen. Es gab schwachen Applaus. Die Lichter im Zelt verloschen und auf der über dem Podium befindlichen Leinwand begann es zu flimmern. Ein sternförmiges Markenzeichen mit dem Firmenwortlaut Saturn erschien und sodann der Titel des ersten Films: ›Beim Fotografen‹. Danach folgten ›Baden verboten‹, ›Das eitle Stubenmädchen‹ und ›Das Sandbad‹. Goldblatt war durchaus angetan von den pikanten, frivolen Handlungen dieser Filme, konnte sie aber nicht so richtig genießen. Er spürte, wie bei Nechyba von Minute zu Minute das Unbehagen wuchs. Und so verwunderte es ihn nicht, als Nechyba während des nächsten Films sich zu ihm neigte und ziemlich laut sagte: »Mir reicht’s! Ich hab gute Lust, die Vorführung dieser Sauereien auf der Stelle abzubrechen und den Kinematografenbesitzer samt seinem Personal zu verhaften.«
    Hinter und neben Nechyba machten einige Herren »Psst!« und einer zischte »Kusch!« Goldblatt packte Nechyba am Arm und hielt ihn fest.
    »Ich bitt’ Sie, bewahren S’ die Contenance! Wir wollen doch ›Die Macht der Hypnose‹ sehen. Wir müssen wissen, ob die Moravec da wirklich mitspielt …«
    Das brachte Nechyba vorübergehend zur Räson, aber nicht zur Ruhe. Er rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. Außerdem schnaufte er wie ein Walross. Als schließlich nach dem Film ›Lebender Marmor‹ der Titelvorspann ›Die Macht der Hypnose‹ erschien, war Nechyba plötzlich wie versteinert. So verharrte er die ganzen sieben Minuten, die dieser Film dauerte. Danach stand er abrupt auf und rempelte sich an den neben ihm sitzenden sieben oder acht Herren zum Ausgang durch. Verdattert folgte ihm Goldblatt.

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