Reigen des Todes
wollte. Schöberl, dem das Kreuz schon vom Schleppen wehtat, folgte zähneknirschend ihren Anweisungen. Im Stillen verwünschte er die ganze Schinderei, die sich aufgrund des Umzugs ergab. Das hohe Arbeitstempo, das die Moravec ihm abverlangte, musste er zum Glück nicht allzu lange durchhalten. Denn vom raschen Stiegensteigen noch ganz außer Atem, stürmte Schwarzer ins Atelier. Er schwenkte eine Zeitung und rief: »Steffi! Steffi! Stell dir vor, was in der Zeitung steht …«
»Es wird schon nix Weltbewegendes sein.«
»Da! Da schau her! Da ist ein Bild vom Popovic drin. Beziehungsweise vom Popovic seiner Leiche.«
Schöberl beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Moravec keine Miene verzog und kalt wie eine Hundeschnauze blieb. Sie trat auf Schwarzer zu und legte beruhigend die Hand auf seinen Oberarm. »Dem Popovic seine Leiche? Das ist sicher eine Verwechslung.«
»Ich bitt dich, Steffi, das ist keine Verwechslung. Da schau dir doch das Bild an! Es ist zwar keine Fotografie, aber eine sehr exakte Zeichnung. Und im Artikel steht, dass das Bild den unbekannten Mann zeigt, den sie als Wasserleiche vor einigen Tagen aus dem Donaukanal gefischt haben. Außerdem steht noch da, dass der Unglückliche nicht ertrunken, sondern durch den Strick gestorben ist. Es war entweder Selbstmord oder sogar ein Mord. Der arme Popovic!«
Schöberl sah, wie die Moravec dem Schwarzer die Zeitung aus der Hand nahm, den Artikel überflog und mit belegter Stimme murmelte: »Der arme Kerl. So ein Ende hat er sich nicht verdient. Und ich hab ihn verdächtigt, dass er wieder einmal eine seiner Saufphasen hat und sich deshalb nicht in der Firma blicken lässt. In Wahrheit ist er jetzt schon fast eine Woche tot … so lange ist’s doch her, dass wir ihn nicht mehr gesehen haben?«
Schwarzer dachte kurz nach und präzisierte den Zeitpunkt. »Am Freitag letzte Woche hab ich ihn hier am Arenbergring das letzte Mal gesehen. Da hat er mit dem Schöberl die Regale zusammengezimmert. Gell, Schöberl, letzte Woche am Freitag war das?«
Schöberl, der aufgehört hatte zu arbeiten, war zu den beiden hinzugetreten und lugte der Moravec über die Schulter. In der Zeitung sah er das gezeichnete Bild der Wasserleiche, die unverkennbar die einstmals lustigen und pfiffigen Gesichtszüge des Hansi Popovic trug.
»Freilich, gnädiger Herr. Am Freitag, letzte Woche.«
Die Moravec fing zu zittern an, tat so, als ob ihr schwindlig werden würde und lehnte sich an Schwarzer. Dann stammelte sie leise: »Ich fass es nicht … der arme, arme Hansi … Und ich hab ihn in Verdacht gehabt, dass er schon wieder saufen tut … dabei ist er tot … ich genier mich so …«
Schwarzer nahm Steffi zärtlich in die Arme, führte sie zu den Regalen und setzte sie dort auf eines der Ablagebretter. Er selbst setzte sich ebenfalls und sprach leise Worte des Trosts. Schöberl nahm langsam die unterbrochene Arbeit wieder auf. Dabei schielte er des Öfteren hinüber zur Moravec. Und als Schwarzer sagte: »Hoffentlich hält uns das Regal aus, wenn wir draufsitzen«, verschluckte sich Schöberl und musste fürchterlich husten und nach Luft ringen. Denn das Regal hatte schon viel mehr ausgehalten. Wie zum Beispiel den daran aufgehängt baumelnden Hans Popovic.
VI/4.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Goldblatt den dicken Nechyba, wie er neben ihm auf dem unbequemen Holzsessel saß und hin und her rutschte. Wenn Unbehagen und Scham eine Personalunion miteinander eingingen, würde diese Kunstfigur dem Nechyba wie ein Ei dem anderen gleichen. Schmunzeln musste Goldblatt, als er sich an all das erinnerte, was ihrer Anwesenheit in dem Kinematografen vorangegangen war. Es hatte mit einem Anruf Nechybas in seiner Redaktion begonnen. Telefonisch, und nicht unter vier Augen im Kaffeehaus, hatte Nechyba ihn gebeten, zu recherchieren, wo denn in Wien ein pikanter Herrenabend-Film gezeigt werde, der das Thema Hypnose zum Inhalt habe. Zuerst hatte er sich nur gewundert. Aber als er ein bisschen nachgefragt hatte und Nechyba am anderen Ende der Telefonleitung nur herumstammelte, war ihm klar geworden, dass diesem das alles fürchterlich peinlich war. Trotzdem hatte Goldblatt ihn Folgendes gefragt: »Warum beauftragen Sie nicht einen Ihrer Leute?«
Darauf Nechyba bissig: »Weil die Wichtigeres zu tun haben. Also helfen S’ mir in dieser Angelegenheit oder nicht?«
Natürlich hatte Goldblatt ihm geholfen. Schließlich war das alles keine große Affäre. Die Adressen der Kinematografen
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