Reigen des Todes
Gesellschaft der normalen Menschen zurückgekehrt. Hausknecht, das war etwas Anständiges und Handfestes – nicht so eine dubiose Tätigkeit wie Filmassistent, unter der sich kein Mensch etwas vorstellen konnte und die es als Berufsbild gar nicht gab. Als Hausknecht hatte Schöberl von Schwarzer eine kleine Kemenate im hintersten Winkel des Ateliers zugewiesen bekommen. Damit hatte er sogar ein eigenes Zimmer – in der Fasangasse hatte er auf einem alten Diwan in Schwarzers Büro übernachtet. Und da Schöberl nicht mehr besaß als das, was er am Leib trug, hatte Schwarzer ihm bei einem Trödler ein Bett samt Matratze, eine Waschschüssel sowie einen Wasserkrug gekauft. Über diese Ausstattung seiner Kemenate war Schöberl besonders glücklich. Und im Gegensatz zu Nechyba, der im Gewerberegister herausgefunden hatte, dass die Saturn-Film einem charakter- und ehrlosen Fotografen namens Johann Schwarzer gehörte, hielt Schöberl große Stücke auf den gnädigen Herrn. Denn Schwarzer war ein Mensch, der nach dem Motto ›Leben und leben lassen‹ seine Firma führte. Ein umgänglicher, freundlicher Mann mit einer künstlerischen Ader und einem ausgeprägten Sinn für gute Geschäfte. Eine ganz andere Meinung hatte Schöberl von der Moravec. Sie hielt er für ein geldgieriges, durchtriebenes Luder, das keinerlei Skrupel hatte, immer und überall den größtmöglichen Vorteil für sich selbst herauszuholen. Sie war es, die Schöberl ursprünglich nur einen Strohsack für seine Kemenate zugedacht hatte. Als Schwarzer das gesehen hatte, sagte er zur Moravec keinen Ton, sondern wies den Schöberl an, ihn zu begleiten. Sie gingen zu einem Trödler, wo Schwarzer dem Schöberl eine kleine Ausstattung kaufte. Als die Moravec sah, wie Schöberl die Sachen in sein Kammerl schaffte, machte sie dem gnädigen Herrn eine Szene. Dieser blieb erstaunlich gelassen und erwiderte nur: »In meinem Haus schläft der Hausknecht nicht auf einem Strohsack, sondern in einem ordentlichen Bett. Punkt.«
Das hatte den an der Tür lauschenden Schöberl beeindruckt. Umso mehr, da Schwarzer sonst immer dem Willen der Moravec nachgab. Um seinem Dienstgeber keine Schwierigkeiten zu machen, war er nicht zur Polizei gegangen, um den Popovic zu identifizieren. Und er war auch nicht zu Nechyba gegangen, um ihm zu sagen, wo die Moravec jetzt steckte. Er wollte Schwarzer einfach nichts Böses tun. Und da er wusste, dass Schwarzer sehr an der Moravec hing, zog er es vor, lieber mit einem schlechten Gewissen dem Nechyba gegenüber zu leben. Nach einer Viertelstunde Tagträumerei kroch Schöberl aus dem Bett, griff nach dem Wasserkrug und trank mit gierigen, langen Schlucken. Dann kratzte er sich am Kopf, der leider etwas brummte, da er gestern beim Branntweiner ein bisschen zu viel erwischt hatte. Dieser Umstand trieb ihn nun auch schnurstracks auf das Wasserklosett, dessen Reinlichkeit und Komfort er sehr genoss. Das war schon etwas anderes als früher! Als er seine Notdurft in irgendwelchen dunklen Winkeln der Stadt, hinter Gebüschen oder irgendwo im Freien verrichten musste. Nach vier Jahren, die er in absoluter Armut und in unbeschreiblichem Schmutz zugebracht hatte, schätzte Schöberl die geordneten hygienischen Umstände seiner neuen Existenz sehr. Und so scheute er sich auch nicht, täglich das Wasserklosett sowie das Bad zu putzen. Auch in der Küche sowie in den restlichen Räumen des Ateliers sorgte er für Ordnung und Sauberkeit. Das brachte ihm wiederum die Sympathie der Moravec ein, da sie sich dadurch ein Dienstmädchen ersparte. Schöberl wusch sich in der Waschschüssel mit eiskaltem Wasser und stellte erleichtert fest, wie die Benommenheit in seinem Kopf verschwand. Beim Rasieren überlegte er, was er an diesem Tag alles zu tun hatte. So wie jeden Morgen würde er zunächst zum Bäcker und zum Greisler gehen, um für den gnädigen Herrn und die Moravec frische Semmeln und Milch einzukaufen. Das würde er ihnen in die Fasangasse bringen, wo sie derzeit noch wohnten. Danach hieß es zurück an den Arenbergring, um hier alles für den Tag vorzubereiten. Die Moravec hatte nämlich eine Annonce in diversen Zeitungen aufgegeben, in der sie attraktive, junge Damen zu einem Vorstellungsgespräch einlud. Der Annoncentext versprach gute Bezahlung, wenn sie ihre körperlichen Vorzüge in einem künstlerisch wertvollen Film präsentieren würden. Diese Maßnahme war notwendig geworden, da der für das Darstellersuchen zuständige Popovic nicht mehr
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