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Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Titel: Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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Brausen, Sausen oder auch nur das Lispeln der Bäume, und dafür drang er auch gar nicht eigens ein in die Wälder oder sonstwohin, sondern hockte sich dort hin an den Rand, und hockte und hockte, und blieb und blieb, mit dem Rücken zu den Bäumen, vor sich das eher leere Land.
    Von den Säumen in die Tiefe und dann in das Innerste der Wälder ging es erst aus den genannten Geldgründen. Die Wälder der Kindheitsgegend waren vor allem Nadelwälder, und überdies fast ausschließlich, bis auf die lichteren Lärcheninseln oben in den Berglagen, die Fichten, mit ihrem besonders dichten Nadelkleid, und diese Bäume wuchsen jeweils nah beieinander, die Äste und Zweige ineinander verzahnt und verflochten, und finster und finsterer wurde es beim Hineintauchen zwischen all dem Fichtengewirr, so daß mit der Zeit weder Einzelbäume noch ganzer Wald sinnfälligwurden, und am finstersten und ortlosesten war es dann im Waldinneren, das oft schon bald oder sogar gleich, nach ein paar Schritten weg von den Rändern, einen umfangen hielt: kein Durchblick mehr zwischen den Stämmen mit den in der Regel toten unteren Ästen hinaus in das eben noch ihn umgebende Freie, in das eben noch das weite Land bestrahlende Tageslicht, als Licht nur ein gleichbleibendes tiefes Dämmern, welches nirgends als Licht wirksam wurde, nicht bloß »kaum ein Hauch« in den (unsichtbaren) Wipfeln, sondern gar keiner, vom Vogelgesang vor ein paar Schritten zu schweigen.
    Eine Art Licht kam dafür von dem, was auf dem Waldboden, manchmal halb im Moos dort versteckt, zu finden war. Je öfter das Kind in die Finsterwälder vorstieß, desto mehr wurde es empfangen von jenem Licht, noch bevor es überhaupt fündig geworden war, ja, lange bevor, und immerwieder auch, wenn in der Folge die Fundstellen sogar völlig ausblieben – von dem Licht im Moos war es dann also regelrecht genarrt worden.
    Was für eine Art Licht war das gewesen? – Ein Schimmern. Unter dem stumpfgrauen Dickicht aus Totholz und Flechten schimmerte ein Schatzkammerlicht. Wie das? Die Häufchen von Gelblingen, die einem da und dort später leibhaftig entgegenleuchteten, in die Augen sprangen, einen in dem Düster auf den ersten Blick buchstäblich blendeten, ein Schatz? Ein Schatz, etwas, für das du bei seinem Einlösen gegen Geld draußen an der Pilzsammelstelle, selbst beim schönsten Finderglück, im Höchstfall ein, zwei kleine Scheinchen ausbezahlt bekamst, in der Regel aber kaum eine Handvoll mittelprächtiger Münzen? – Abgesehen davon, daß das Kind damals auch an dem Umtausch in bloßes Klimperzeug seine Freude und dann seinen Nutzen hatteund stolz war, und wie!, allein, aus eigenem »Geld verdient« zu haben: Es handelte sich bei solchem Finden, weit weg von den andern, der »madding crowd«, tief in den Wäldern, falls die Funde, und wenn auch in Grenzen, sich häuften, um Schätze, klar – sonnenklar!
    In diesem Moment der Geschichte von meinem Pilznarren geht mir im übrigen auf, daß mein verschollener Freund sich von klein auf zum Schatzsucher bestimmt oder, nach seinen eigenen Worten, berufen sah. In seinen Augen war demnach schon das Kind etwas wie ein Auserwählter, wenn es sich auch nicht so bezeichnet hätte. Sondern? Eher als jemand »nicht ganz Normalen«. Wie auch immer: Sooft er von zuhause, vom Elternhaus, vom Kindheitsdorf weglief hinaus über die Wiesen, Weiden und Äcker und hinauf durch die letzten Obstgärten zum Rand des Waldes, um »sich einzuhören« dort am so unterschiedlich tönenden Blätterwerk – den Waldrand bildeten ja eher die Laubbäume –, tat, und unternahm, er das im Bewußtsein, oder meinetwegen in der Einbildung, eines höheren Auftrags.
    Die Bewegung der Baumkronen im Wind, selbst lautlos, sphärisch durcheinander, erlebte er als eine Vorschrift, oder als das andere Gesetz; jene Bewegung schwenkte ihn ein in den, in die Himmel. Und zugleich war es eine Geschichte für sich, eine Geschichte von schwankenden Wipfeln, und nichts sonst, eine Geschichte von nichts, und allem. Vom Schauen und Hören kam er ins Sinnen, wobei er sich weit mehr am Platz fühlte als bei gleichwelchem Denken. Ach, und sowie dann das Sausen und Brausen überging ins Stimmhafte, zur Stimme wurde! Und wie die Stimme ihn dann begeisterte! Wofür? Für nichts und wieder nichts. Ging er ein oder über in die Bewegung der Wipfel? Es ging auf, wie eine Rechnung, nach langem Fehlkalkulieren, endlich aufgeht. Keine noch so wilde Meeresbrandung konnte ihm später das

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