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Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Titel: Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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Birkenrieseln, das Buchenrauschen, das Eschensausen, das Eichenbrausen an den Waldrändern ersetzen. Es gab den Schatz, den für ihn von Kindesbeinen bestimmten. Die zerquetschten Dosen und Zigarettenschachteln auf den Feldwegen waren es nicht. Waren es dafür die Sphären der Baumkronen? Nicht ganz.Was er vom Rauschen und Brausen der Bäume erwartete, war nichts sich selbst Genügendes, keine Sehnsucht nach einer Verzückung oder einem Niemand-und-Nichts-Werden als der Erfüllung. Sich einzuhören, hieß nicht Einswerden. Es war verbunden mit einem Aufruf, einem Anstoß zum Handeln. Nur welchem? Was für einem? Umfangen vom Rauschen? Nicht ganz, nicht als Ganzer, keinmal.
    So oder so brach er zum Waldrand hin auf als ein Schatzsucher, ein spezieller, auch wenn er dort dann bloß – so sehe ich ihn jetzt hieram Schreibtisch vor mir – mit seinem dicken Schädel, der dabei nur noch dicker und dicker wird, nachmittagelang stummstier dasitzt, sich manchmal am Scheitel kratzt, kurz in einen Löwenzahnstengel bläst, was einen so gar nicht mit dem Blätterrauschen übereinstimmenden Brummton, eher einen Mißton, wie vom Furz einer Kuh, ergibt, zuletzt wiederholt zusammenschauert, kaum aufgrund irgendeiner Ergriffenheit oder gar Erschütterung, sondern sichtbar, weil ihn mit der Zeit, nun vor der ersten Dämmerung, zu frieren und zu frösteln beginnt, und sich endlich mit seinem unsichtbaren Schatz heimtrollt, wo er seiner Mutter über den Mund fährt, die schon damals ständig das Verschollengehen ihres Sohnes befürchtete und jetzt einen sanften Vorwurf wagt, während er jeweils – das sollten die Eltern doch ahnen, ohne daß er es eigens erklären müßte – unterwegs in seinem besonderen Schatzsucheramt zu sein hatte.
    Und es fällt mir dazu auch noch ein, daß mein Narr in der Kindheit sich einbildete, obgleich jeweils nur für Augenblicke, oder einen einzigen, die Kraft zum Zaubern in sich zu haben. Er glaubte, eine Zauberkraft in sich zu spüren, in seinen Muskeln, aus denen in solchem Moment sich ein einziger, der Zaubermuskel ballte. – Und wie, oder was, wollte er dann zaubern, oder verzaubern? – Sich selber. – Und wie? Und als was? – Wegzaubern wollte er sich, mit geballter Muskelkraft sich vor aller Augen wegzaubern. Weg von allen Augen, und zugleich dableiben. Nein, nicht da, nicht an Ort und Stelle, vielmehr vorhanden bleiben, umso vorhandener und das zum Staunen aller. – Und wie sehe ich das Kind jetzt nach dem Moment Zusammengeballtgewesenseins? – Mit einem dickeren Schädel denn je. Als Ganzes wie angeschwollen. Und ich höre es: Es räuspert sich. Es hüstelt. Es kichert, in sich hinein, beschämt und doch nicht geschlagen. Und ich rieche,ich erschnüffle es geradezu: Mein Freund, der Nachbarjunge, wird nicht aufgeben. Er ist sich gewiß, beim nächsten Mal, und wenn nicht dann, so gewiß irgendeinmal, wird ihm das Sichwegzaubern, weg von uns anderen, gelingen.
    Die Pilzsammelstelle, wo er, zwei oder drei Sommer lang, seine Schätze gegen bares Geld ablieferte, befand sich in einem abgelegenen, allein stehenden Haus außerhalb des Dorfes. Dieses Haus war höher und breiter als die anderen Wohnstätten in der Gegend und unterschied sich von denen auch in der Bauweise und Form, klobig, fremdartig, weder Bauern- noch Bürgerhaus, eher in der Art der damaligen »Armenhäuser«, wo hinter einem jeden der staubigen, zum Teil mit Pappe ersetzten Fenster mehr in der Ahnung als in der Gegenwart eine reglose Menschenpuppe stumm die Augen aufgerissen hatte – nichts mehr im Blick oder Ohr, und schon gar nicht den oder die inder Nebenkammer. Und das Gebäude diente in der Tat als eine Art Notunterkunft, oder Auffanglager, für eine einzige Familie, die, nach dem Krieg aus einem nahen slawischen Land geflüchtet oder bloß so ausgereist, hier ihre vorläufige Asylstätte hatte. Gewohnt, wie auch immer, wurde allein im Erdgeschoß, in dunklen, türlosen Höhlen, die zwei oberen Etagen standen leer, waren wohl auch nicht bewohnbar, hatten schon von außen den Anschein von – nicht Kriegs-, sondern Vor-Vorkriegsruinen, wie überhaupt das Haus von oben bis unten, das Parterre eingeschlossen, fand man sich drinnen, mit eingezogenem Kopf und keinmal mehr als einen Schritt weit weg vom Ausgang, nichts von gleichwelchem Haus, und schon gar nicht Wohnhaus, hatte, wenn überhaupt, etwas von einem verfallenen Bunker: noch ein Schritt, und der würde endgültig über einem zusammenstürzen.
    Dabei hauste die ins

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