Rein Wie Der Tod
Anders sich losriss und auf sie zusteuerte.
»Frank«, rief er lächelnd, »wie schön, dass du kommen konntest. Dieser Typ hier«, er legte einen Arm um Franks Schulter, boxte ihm vertraulich in die Seite und grinste kumpelhaft, »das ist der Kerl, den ich hier von allen schon am längsten kenne!«
»Bist du der mit der Dunkelkammer im Keller eures Wohnblocks?«, fragte das Lockenköpfchen. »Hab schon so viele Geschichten von dir und der Dunkelkammer gehört. Stimmt es, dass du eine Matratze auf dem Boden liegen hattest, falls man noch weiterfeiern wollte?«
Frank Frølich fühlte sich nie wohl, wenn er im Mittelpunkt des Interesses fremder Menschen stand, und lächelte angestrengt.
»Tut mir leid«, sagte Karl Anders schon ein wenig beschwipst, »ich muss den Star jetzt entführen.«
Damit zog er Frølich mit sich. Dieser fasste seinen alten Freund um den Nacken und drückte ihn an sich.
»Gratuliere, Karl Anders.« Endlich konnte er den Spruch auf der Hemdbrust des Freundes lesen: The worst crime is faking it - Curt Cobain.
»Du bist der Einzige von den alten Kumpels, der hier ist, Frank.«
Frølich antwortete nicht. Die anderen Freunde waren die Strohhalme gewesen, an die er sich hatte klammern wollen. Das Wiedersehen mit den alten Kumpels sollte eigentlich seinen Abend retten.
»Ich habe keinen von ihnen eingeladen«, sagte Karl Anders mit glasigen Augen, »keinen, nur dich. Dieser Tag ist etwas Besonderes für mich.«
»Ist doch klar«, sagte Frølich enttäuscht.
»Das ist der Anfang meines neuen Lebens«, sagte Karl Anders. »Ich lege alles ab, was ich nicht mehr sein will! Guck mal«, flüsterte er und zeigte auf eine Gruppe von Frauen, die Konversation machten und ihnen den Rücken zukehrten. »Frauen sind wunderbar, Frank, Frauen sind verdammt noch mal so was von wunderbar! Aber für mich nicht mehr«, fuhr er lächelnd fort, »ich bin verlobt!«
Er stolperte auf die Frauen zu, den Arm um Frølichs Taille gelegt.
Eine Frau in einem engen, kurzen schwarzen Kleid drehte sich um. Ihre Augen schimmerten grün in der diffusen Beleuchtung.
»Veronika«, sagte Karl Anders, »das hier ist Frank. Mein alter Kumpel Frank Frølich.«
Frølich ergriff Veronika Undsets schlanke Hand.
Für den Bruchteil einer Sekunde veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Ihre Augen weiteten sich und leuchteten vor Schreck auf, dann entspannte sie sich wieder völlig, mit dem gleichen ergebenen Blick, den er morgens im Auto an ihr gesehen hatte.
Er selbst war so überrascht, dass er fürchtete, seine Stimme würde brechen.
»Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?«
Er zögerte ein paar Sekunden. Registrierte wie in Trance, dass ihr aufgestecktes Haar einen fein geschwungenen Hals entblößte.
»Da müssen Sie mich wohl daran erinnern, wo und wann das war«, sagte er, sah ihr in die Augen und ließ die Hand fallen. »Aber ich denke, das hätte ich bestimmt nicht vergessen«, fügte er hinzu.
Sie schwieg, hielt ihr Glas jetzt mit beiden Händen und sah zu Boden.
Karl Anders fasste um ihre Taille und zog sie an sich. Die beiden passten gut zueinander. Ein etwas rockiger Typ und seine flotte Biene.
»Veronika und ich werden im April heiraten«, sagte er. »In Rom, und weißt du was, Frank!«
Frank Frølich schüttelte den Kopf.
»Ich möchte, dass du Trauzeuge bist.«
Frank lächelte ihnen zu. Vielleicht war es der Sekt, vielleicht nur die Atmosphäre im Raum, aber es rauschte leicht in seinen Ohren. Er schluckte den Rest der sprudelnden Flüssigkeit hinunter. Karl Anders zauberte sofort ein neues Glas hervor.
»Ahm«, sagte eine Stimme laut und gekünstelt.
Frølich drehte sich um. Neben Veronika Undset stand eine Frau mit einer strohblonden Pagenfrisur. »Hei«, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich heiße Janne und bin Ihre Tischdame!« Damit brach sie in Lachen aus, und Frølich hatte das Gefühl, der Abend war gerettet.
* * *
Der Esstisch erstreckte sich durch eine breite Türöffnung über zwei Räume, was auch tatsächlich dazu führte, dass sich die Gesellschaft in zwei Teile teilte. Glücklicherweise saßen Janne und Frank Frølich nicht in dem Teil, wo die Gastgeber und der Toastmaster saßen. Es gab Tapas von einem riesigen Büfett, und um den Tisch herum und in der Schlange vor dem Büfett wurde lebhaft geredet. Frølich blieb sitzen und wartete, bis die meisten sich bedient hatten. Das Gleiche tat Janne und erzählte ihm, sie sei allein erziehende Mutter eines fast
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