Reine Glückssache
hat die Wirkung der Kanüle etwas gemildert, aber es hat gereicht, um dich umzuhauen.«
»Sonst alles in Ordnung mit mir?«
»Ja«, sagte Morelli. »Ich glaube ja. Von mir kann ich das nicht behaupten. Ich bin gerade tausend Tode gestorben.«
»Ich will nicht ins St. Francis. Ich will nach Hause … wo auch immer.«
Der Sanitäter sah Morelli an. »Sie haben uns gerufen.«
»Ich übernehme die Verantwortung«, sagte Morelli. »Helfen Sie mir, sie auf die Beine zu stellen.«
Ich stakste ein paar Minuten auf wackligen Beinen herum. Ich fühlte mich hundeelend, aber ich wollte es nicht hinausposaunen. Auf keinen Fall wollte ich über Nacht im St. Francis-Krankenhaus bleiben. Da nehmen sie einem die Kleider ab, verstecken sie, und man muss in so einem Baumwollhemdchen schlafen, in dem der Hintern auf halb acht hängt. »Meine Fresse«, sagte ich. »Womit hat der mich beschossen? Sollte das einen Elefanten betäuben?«
Morelli hatte die Kanüle in einen Beutel für Beweismittel gesteckt. Er zog sie aus seiner Tasche und hielt sie mir hin.
»Sieht eher aus wie für einen Hund.«
»Na toll. Der Pfeil hat also nur für ein Schoßhündchen gereicht. Das gibt ja nicht gerade viel Gesprächsstoff her.«
Morelli geleitete mich sanft zu seinem Truck. »Dein Auto lassen wir hier stehen. Hinters Steuer lässt man dich besser noch nicht.«
Nichts gegen einzuwenden. Ich hatte rasende Kopfschmerzen.
Auf dem Armaturenbrett lag eine einzelne rote Rose, neben der Rose war eine weiße Grußkarte, auch sie steckte in einem durchsichtigen Plastikbeutel für Beweismittel.
Morelli zeigte auf die Rose. »Die klemmte an deiner Windschutzscheibe.« Er streckte die Hand aus, nahm die Karte und drehte sie um. Auf der Rückseite stand:
Sie sollten vorsichtiger sein. Wenn Sie zu leichtsinnig sind, macht es keinen Spaß.
»Das ist doch gruselig«, sagte ich. »Der Typ ist ein Irrer.«
»Es hat angefangen, gleich nachdem du in die Suche nach Singh eingestiegen bist«, sagte Morelli.
»Glaubst du, dass es Bart Cone war?«
»Er steht auf jeden Fall auf der Liste der Verdächtigen, aber davon überzeugt, dass er es war, bin ich nicht. Bart Cone scheint mir nicht der Typ mit Sinn für Dramatik.«
Ich wollte einfach, dass es Bart Cone war. Es wäre so leicht gewesen. In meinem Kopf spukte eine Filmszene: Stephanie und Lula brechen bei Bart zu Hause ein, entdecken das Betäubungsgewehr, ordentlich abgelegt neben der Waffe, mit der Howie getötet wurde, und rufen die Polizei. Die Polizei verhaftet Bart umgehend, und Stephanie ist glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Selbstverständlich gehörte zu dem Film nicht, dass Stephanie wegen Einbruchs im Knast saß. »Das ist alles nicht mehr feierlich«, sagte ich zu Morelli. »Wenn ich nicht mit Betäubungsmitteln voll gestopft wäre, hättest du es jetzt mit einer klassischen Hysterikerin zu tun.«
Morelli fuhr vom Parkplatz herunter und bog nach links in die Straße. »Was hattest du hier eigentlich verloren?«
»Ich wollte zurück in meine Wohnung, weil dir die Gilman in ihrem Tanga so gut gefallen hat.«
»Scheiße«, sagte Morelli. »Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen.«
Ich schloss die Augen und lehnte mich mit dem Kopf an die Rückenlehne. »Sei froh, dass ich voll unter Drogen stehe.«
»Ist dir irgendwas Ungewöhnliches auf dem Parkplatz aufgefallen? Ein fremdes Auto? Ein paranoider Schizo, der irgendwo im Schatten gelauert hat?«
»Nichts. Ich habe nicht nachgeguckt. Ich ging ganz in meiner Empörung auf.«
Als wir an Morellis Haus ankamen, stand die Sonne schon tief, und die abendlichen Insekten summten. Ich sah die Straße entlang, eher aus dem Wunsch nach Trost als aus Angst. Kaum vorstellbar, dass in Morellis Straße mal etwas Schlimmes passieren könnte. Mrs. Brodsky saß auf ihrer Veranda, und Aunt Rose’ Vorhänge im ersten Stock, zart hinter Glas, wehten wie ein beschützender Talisman. Morellis Viertel wirkte friedlich. Natürlich hielt ihn das nicht davon ab, seine Bullenmasche abzuziehen. Die ganze Fahrt über hatte er dauernd in den Rückspiegel geschaut, ob wir auch nicht verfolgt wurden. Er parkte ein und half mir beim Aussteigen, schubste mich quasi ins Haus, gab mir teilweise mit seinem Körper Deckung.
»Vielen Dank für deine Mühe«, sagte ich und sank aufs Sofa. »Ich mag es nicht, wenn du dich zu meinem Schutz in Gefahr begibst.«
Bob erklomm das Sofa und ließ keinen Platz mehr für Morelli. In Bobs Kopffell steckte ein
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