Reine Glückssache
Hundekuchen.
»Wie schafft er es bloß immer, sich mit seinem Futter einzusauen?«, fragte ich Morelli.
»Das weiß ich auch nicht«, sagte er. »Eines der vielen Bob-Mysterien. Ich glaube, das Zeug fällt ihm aus dem Maul, und dann wälzt er sich drin, aber genau weiß ich es auch nicht.«
»Wegen Gilman …«, sagte ich.
»Ich kann nicht über Gilman reden. Das ist eine polizeiliche Angelegenheit.«
»Doch nicht so eine James-Bond-Masche, bei der du mit Gilman schlafen musst, um ihr Informationen zu entlocken, oder?«
Morelli fläzte sich in einen Sessel und schaltete den Fernseher ein. »Nein. Nur eine Trentoner Polizeimasche, bei der wir Gilman drohen und bestechen, um ihr Informationen zu entlocken.« Er fand einen Sender, auf dem irgendein Baseballspiel übertragen wurde, stellte die Lautstärke ein und wandte sich mir zu. »Schläfst du nun also heute Abend mit mir?«
»Ja. Aber ich habe Kopfschmerzen.« Ich schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen. »Ach, du Schreck!«, sagte ich, und die Augen klappten von selbst auf. »Das habe ich dir ja noch gar nicht gesagt. Howies Killer hat mir eine E-Mail geschickt, und da gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Mord und den Blumen.«
Morelli war längst weg, als ich mich aus dem Bett quälte. Ich schlurfte ins Badezimmer, duschte, zog mir Jeans und T-Shirt an und tastete mich vor bis zur Küche. Ich setzte Kaffee auf und steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster. Bis sie so weit waren, trank ich meinen Orangensaft und guckte nach, ob E-Mails eingegangen waren. Ich hatte den Verdacht, dass mir der Killer wieder eine Nachricht geschickt hatte. Ich wurde nicht enttäuscht.
Jetzt ist der Jäger der Gejagte
, stand da.
Wie kommen Sie damit zurecht? Sind Sie aufgeregt? Sind Sie bereit zu sterben?
Neben mir saß Bob, wartete gespannt darauf, dass mir Brotkrümel aus dem Mund fielen.
»Ich bin nicht aufgeregt«, sagte ich zu Bob. »Ich habe Angst.« Die Worte hallten in der Küche wider, und mir stockte vor Schreck der Atem. Mir gefiel der Klang der Worte nicht, und ich beschloss, sie nicht noch einmal laut auszusprechen. Stattdessen beschloss ich, dem Prinzip Verdrängung eine zweite Chance zu geben. Manche Gedanken blieben besser ungesagt. Das hieß nicht, dass ich meine Angst einfach ignorieren würde. Es hieß, dass ich mir in Zukunft die allergrößte Mühe geben würde, die allergrößte Vorsicht walten zu lassen.
Ich schaltete den Computer aus, rief Morelli an und sagte ihm, ich hätte eine neue E-Mail erhalten. Dann rief ich Lula an und bat sie, mich abzuholen. Ich wollte noch mal raus zu TriBro, und mein Auto stand ja auf dem Mieterparkplatz vor meinem Haus. Ich brauchte also einen Fahrer. Und ich brauchte einen Partner. Ich wollte nicht zu Hause sitzen und die Wände anstarren, mich verstecken, aber ich wollte auch nicht auf eigene Faust losziehen.
Zehn Minuten später kam Lula angerollt. Lula fuhr einen fetten, alten, roten Firebird, und wenn sie die eingebaute Musikanlage voll aufdrehte, bröckelten einem die Zahnfüllungen weg. Joes Haustür war verschlossen, und ich war in der Küche auf der Rückseite … trotzdem wusste ich gleich, dass es Lula war, die vorgefahren war, denn Shadys Bass löste bei mir Herzrhythmusstörungen aus.
»Du sieht nicht gerade wie das blühende Leben aus«, sagte Lula, als ich einstieg. »Du hast dicke Tränensäcke, und deine Augen sind blutunterlaufen. Du musst dich ja ganz schön vergnügt haben gestern Abend, wenn du so schlimm aussiehst.«
»Auf mich hat gestern Abend jemand mit einem Betäubungsgewehr geschossen, und davon hatte ich bis vier Uhr heute Morgen einen irren Kater.«
»Ist nicht wahr! Was hast du bloß wieder gemacht, dass man jetzt schon mit Betäubungsgewehren auf dich schießt?«
»Gar nichts! Ich war auf dem Weg vom Auto zu meiner Haustür, da hat mir jemand in den Rücken geschossen.«
»Ist nicht wahr! Hast du herausgefunden, wer?«
»Nein. Die Polizei ermittelt noch.«
»Das war bestimmt Joyce Barnhardt. Joyce würde so etwas fertig bringen. Aus Rache dafür, dass wir sie so oft mit dem Elektroschocker lahm gelegt und Bob so oft in ihren Vorgarten zum Scheißen ausgeführt haben.«
Joyce Barnhardt. Die hatte ich ganz vergessen. Joyce Barnhardt wäre ebenfalls eine erstklassige Verdächtige, den Mord an Howie ausgenommen. Joyce war kein Killer.
Ich war mit Joyce zusammen zur Schule gegangen, sie hat mir das Leben zur Qual gemacht. Joyce plauderte Geheimnisse aus. Wenn ihr
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