Reine Glückssache
an der Reihe«, sagte Morelli.
Ich erzählte ihnen alles, was ich wusste, über das Spiel, über Fisher Cat, den Webmaster, den getöteten Polizisten.
»Wir müssen das auf der Wache fortsetzen«, sagte Morelli. »Wir müssen ein Protokoll aufnehmen.«
Es regnete immer heftiger. Mein Haar war klatschnass, der Verband war durchnässt. Ich war blut- und dreckverschmiert, meine Arme und Beine von der Rauferei zerkratzt.
»Wie geht es Valerie?«, fragte ich. »Alles gut gegangen? Ist das Baby da?«
»Ich weiß nicht«, sagte Morelli. »Wir haben noch nicht bei ihr reingeschaut.«
Der Amtsarzt kam und parkte seinen Truck schräg auf den Bürgersteig, gleich neben dem blauen Pick-up. Er stieg aus und ging zu der Leiche. Er begutachtete sie kurz und nickte Morelli zu.
»Ich muss ihn mal eben sprechen«, entschuldigte sich Morelli bei mir. »Und du gehst ins Krankenhaus und lässt dir deinen Arm verarzten. Es war nur ein Streifschuss, aber wahrscheinlich muss die Wunde genäht werden.« Er wandte sich Hilfe suchend an Ranger. »Wenn jemand aus ihrer Familie sie in diesem Zustand sieht, flippen die aus.«
»Nur keine Aufregung«, sagte Ranger. »Ich sorge schon dafür, dass sie sauber ist, bevor sie zusammengeflickt wird.«
Ranger verfrachtete mich in seinen Truck und fuhr mich zu Morelli. Er schloss die Haustür auf, machte das Licht an, und Bob kam angerannt. Als er Ranger sah, hielt er inne und beäugte ihn misstrauisch.
»Der Hund ist ein Killer, das sehe ich auf den ersten Blick«, sagte Ranger.
»Bösartig«, sagte ich.
»Ich nehme an, dass du Kleider hier hast«, sagte Ranger.
»Brauchst du Hilfe?«
»Ich komme zurecht.«
Seine Augen wurden schmaler. »Ich bin ziemlich gut unter der Dusche.«
Meine Körpertemperatur erhöhte sich um ein paar Grad.
»Ich weiß. Ich rufe, wenn ich Hilfe brauche.« Unsere Blicke verschmolzen. Ich wäre aus dem Badezimmerfenster gesprungen, wenn ich Ranger auf der Treppe gehört hätte, das war uns beiden klar.
Ich drehte die Dusche siedend heiß auf, schrubbte den Dreck und das Blut und den ganzen Horror von mir ab, achtete darauf, dass der Verband um die Schnittwunde nicht noch nasser wurde, als er schon war. Ich trocknete mich ab, und als ich in den Spiegel schaute und mein Haar sah, hielt ich die Luft an. Ein ganzes Büschel Haare fehlte. Die linke Seite war zehn Zentimeter kürzer als die rechte! Scheiße! Wie hatte das passieren können? Das musste Fisher Cat gewesen sein. Na gut, das reichte. Ich schämte mich nicht mehr, dass ich ihm seine Nase gebrochen hatte. Ich freute mich darüber. Und wenn ich die Wahrheit sagen soll: Es tat mir nicht einmal Leid, dass er tot war.
Ich zog mir saubere Jeans, T-Shirt und Turnschuhe an. Die nassen Haare strich ich hinters Ohr, verdeckte sie unter einer Baseballmütze, die ich in Morellis Kleiderschrank fand, und ging nach unten.
Ranger fläzte auf dem Sofa und guckte sich ein Baseballspiel im Fernsehen an, neben ihm Bob, den großen, wuscheligen blonden Bob-Kopf auf Rangers Schoß.
»Das nennt man Männerfreundschaft«, sagte ich.
Ranger stand auf und schaltete den Fernseher aus. »Hunde lieben mich eben.« Er schlang mir seinen Arm um die Schultern und scheuchte mich zur Haustür. »Ich habe im Krankenhaus angerufen. Valerie hat ein Mädchen zur Welt gebracht. Beiden geht es prima.«
Ein Gefühl von Zufriedenheit und Erleichterung strömte, von meiner Brust ausgehend, durch meinen Körper, bis in die Fingerspitzen hinein, und im ersten Moment hatte ich schreckliche Angst, ich würde vor Ranger anfangen zu heulen. Ich ermahnte mich, mich zu beherrschen, und ich räusperte mich. »Was ist mit Cal und Tank?«, fragte ich.
»Die sind schon wieder entlassen. Tank hat sein Bein in Gips, Cal hat eine Gehirnerschütterung. Aber nicht so schlimm, dass er im Krankenhaus bleiben müsste.«
Ranger fuhr mich zum Krankenhaus und begleitete mich zur Notaufnahme. Er wartete so lange, bis mein Arm desinfiziert und die Wunde vernäht war. Dann rief er Morelli an.
»Sie ist fertig«, sagte er. »Willst du übernehmen?«
Wenige Minuten später kam Morelli, und Ranger tauchte unter in der Nacht. Irgendwann, wenn ich mehr Zeit und bessere Nerven habe, müsste ich mal darüber nachdenken, was für eine seltsame Dynamik eigentlich zwischen Morelli, Ranger und mir herrschte. Wenn nötig, waren Morelli und Ranger in der Lage, als Team zusammenzuarbeiten, scheinbar alle Feindschaft beiseite zu lassen. Gleichzeitig jedoch existierte, in einem
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